Im Spätsommer 1964 sagte mir meine Mutter, mit der ich zu der Zeit in Wedel, Kreis Pinneberg wohnte, daß ich in ein
"Lehrlingsheim" komme. Wedel liegt am
Hamburger Stadtrand und gehöhrt zu Schleswig-Holstein. Ich war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt, Autoschlosser-Lehrling im 2. Lehrjahr. Nun gut, dachte ich mir, dann habe ich endlich meine Ruhe.
So fing das Elend an. Ich hätte mir nicht vorstellen können was mir bevorstand.
( Diese Geschichte, die sich vollständig in Schleswig-Holstein abspielt, ist in ihrer jetzigen Form
unvollständig; es ist alles einfach zu lange her. Je mehr ich mich aber damit beschäftige, desto mehr Fakten und auch manchmal Namen fallen mir dazu ein. )
Einige Tage später wurde ich im schwarzen Dienstwagen mit Chauffeur von einer Fürsorgerin abgeholt. Diese Fürsorgerin habe ich an diesem Tag erstmalig gesehen, aber sie war gut über mich
informiert, wie sie sagte. Ich bin vom Jugendamt niemals um meine Meinung befragt worden. Die Fahrt ging nach Neumünster und als der Chauffeur endlich das dortige "Lehrlingsheim" gefunden hatte, stellte sich heraus, daß
dort niemand etwas von mir wußte.
Die Fürsorgerin telefonierte und danach wurde ich in der "Freiwilligen Erziehungshilfe" in diesem angeblichen "Lehrlingsheim" in Neumünster abgeliefert. Es nannte sich sogar "Freiwillige
Erziehungshilfe Neumünster". Dort war aber nichts freiwillig. Es gab keinen Ausgang. Meine Autoschlosser-Lehre war beendet -
vom Jugendamt eingestellt worden. Stattdessen sollte ich mich als Hilfsarbeiter in einer Glashütte im 20 km von Neumünster entfernten, an der Bundesstraße 404 gelegenen, Trappenkamp, selbst
finanzieren - d.h. selbst für meine “Obhut” und “Erziehung” aufkommen, was im Grunde genommen aber daraus bestand für die nächsten paar Jahre völlig unentlohnt zu arbeiten ohne in irgend einem
Beruf ausgebildet zu werden.
Stadtgliederung [ aus Wikipedia @ http://de.wikipedia.org/wiki/Neum%C3%BCnster ]: Neumünster liegt am Rande einer weiten Sanderebene des holsteinischen Geestrückens. Im äußersten Norden erreicht im Bereich des Einfelder Sees und des
Dosenmoores das ostholsteinische Hügelland das Stadtgebiet. Kiel liegt etwa 30 km nördlich von Neumünster, während es in südlicher Richtung etwa 70 km bis Hamburg sind. Die Stadt Neumünster ist
kreisfrei und grenzt an die Kreise Plön, Segeberg und Rendsburg-Eckernförde (im Uhrzeigersinn). Als einzige der vier kreisfreien Städte Schleswig-Holsteins hat Neumünster keinen Zugang zum Meer.
Dafür ist die Stadt ein wichtiger Verkehrsknoten: sie liegt an der Bundesautobahn 7 im Kreuzungspunkt der Bundesstraßen 205 und 430. Auch die Bundesstraße 4 führt durch Neumünster, hat aber mit
Eröffnung der Autobahn an Bedeutung verloren. Ebenfalls liegt Neumünster an den Bahnstrecken von Hamburg nach Kiel und Flensburg, welche von hier abzweigen, und damit an zwei der
Hauptverkehrsadern nach Skandinavien. Neumünster ist die Stadt in Schleswig-Holstein mit den meisten, nämlich sechs Bahnstrecken.
(1964) Der Arbeitstagsablauf in diesem Neumünster “Lehrlingsheim” war wie folgt: Frühmorgens wurde immer die komplette Heim-Belegschaft mit einem Reisebus abgeholt und in die damals dort ansässige
Glashütte in Trappenkamp abtransportiert. Dies war ein privater Hersteller von Glasprodukten (es gab damals mehrere dieser in dieser Gegend in Schleswig-Holstein). In
dieser Fabrik in Trappenheim wurde in 4 Hafen [d.h. Behältern / “Glasschmelzöfen”] Glas geschmolzen und zu Gläsern, Vasen, Schüsseln, Lampen, usw verarbeitet. Abends wurden wir wieder
zurück ins Heim gebracht. Ganztäglich auf dem Hin- und Rückweg und in der Fabrik wurden wir von einem “Erzieher” bewacht, und es war uns strengstens verboten das Fabrikgebäude zu
verlassen. Geld für meine Arbeit habe ich niemals erhalten, und auch die anderen Jugendlichen, die in dieser Fabrik arbeiten mußten bekamen keins. Dafür wurde ich von den "Erziehern" ständig
bedroht. Wen wundert es, daß ich eines Nachts aus der "Freiwilligen Erziehungshilfe
Neumünster" aus dem Toilettenfenster getürmt bin.
Wieder eingefangen kam ich in das "Landesjugendheim Paulihof" in der Kreisstadt Schleswig, Kreis Schleswig-Flensburg (Dieses "Landesjugendheim Paulihof" ist erst Im Jahre 1992 geschlossen worden.).
[ Aus Wikipedia @ http://de.wikipedia.org/wiki/Schleswig ]
Die Kreisstadt Schleswig liegt am Ufer
der Schlei, zwischen den beiden Halbinseln Angeln und Schwansen. Nächste größere Städte sind Flensburg (Entfernung ca 30 km), Husum (Entfernung ca 31 km) und Kiel (Entfernung ca 52 km). In
unmittelbarer Nähe der Kreisstadt Schleswig verläuft die Autobahn 7. Die Kreisstadt Schleswig wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz des Oberlandesgerichts, des Landesarchivs, des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte und des Archäologischen Landesmuseums. ( Die heutige Internet-Adresse
des Landesarchiv Schleswig-Holstein,
jetzt im Prinzenpalais, in Schleswig, ist http://www.schleswig-holstein.de/LA/DE/LA__node.html__nnn=true )
Im "Landesjugendheim Paulihof"
herrschten schon Arbeitslager-Bedingungen. (An so mancher Stelle im Internet ist neudings auch die Rede von "Justizvollzug in Schleswig-Holstein" und dem “Gelände der »Bildungseinrichtungen
des Justizvollzugs in Schleswig, "Paulihof"«". - Von wann bis wann der "Paulihof" eine offizielle "Justizvollzugsanstalt" war, habe ich bisher nicht feststellen können.).
Im "Landesjugendheim Paulihof" gab es
in 1964/65 (zu meiner Zeit) nur Heimkleidung, d.h. blaue Arbeitshose, Arbeitsjacke und ein grünes Hemd. Hosen und Schuhe wurden abends in einem vergitterten Raum eingeschlossen. Wir mußten unter
ständigem Antreiben im Laufschritt Schwerstarbeit verrichten, z.B. Rüben in der Landwirtschaft mit der Hand ziehen und auf einen Anhänger werfen, oder schweren Lehmboden auf Anhänger schaufeln.
Andere unentlohnte Schwerstarbeiten, die ich und alle anderen Insassen im "Landesjugendheim
Paulihof" ohne Ablass im Laufschritt gezwungen wurden zu verichten, waren: Straßen und Waldwege ausbessern, und mit
einfachsten Mitteln und ohne Schutzmittel Bäume fällen. Als ich bei solchen Arbeiten einmal körperlich nicht mehr konnte, wurde dies als "Arbeitsverweigerung" bezeichnet. Dafür bekam ich Arrest
in einer Zelle unterm Dach und wurde dort von den "Erziehern" dafür verprügelt. Ich wurde ca. 2 Wochen in der Zelle eingesperrt, bis die Spuren der Prügelei nicht mehr zu sehen waren. Die Täter
hießen Tillich, Blank, Broer und Stolp sowie einer dessen Name mir entfallen ist. Dieser war noch nicht lange Heimerzieher. Er erzählte uns, daß er vorher Berufssoldat gewesen war. Ein kleiner
drahtiger Anfang 30. Er hat mich mal während der Arbeit mit dem Knüppel geschlagen. Am späten Abend bekam ich starke Schmerzen und konnte nicht mehr atmen. Ein Arzt wurde gerufen aber vorher
wurde ich vergattert. Ich mußte sagen ich wäre „rückwärts auf einen Heizkörper gefallen“. Diagnose: "Rippenprellung".
Wir mußten ebenfalls kleinere Bäume die ausgelichtet waren aus dem Wald schleppen, immer begleitet von Anschreien, Ohrfeigen und Tritten wenn einer nicht mehr konnte.
In den letzten Jahren (in den späten 90er Jahren) habe ich im Fernsehen mal Sendungen über besonders harte US-Gefängnisse gesehen. So in etwa muß man sich das vorstellen, wie wir in den 1960er
Jahren in Westdeutschland als "Schutzbefohlene" behandelt wurden.
Einmal mußten wir im Winter einen abgelassenen großen Teich, genannt "Kulifunkenteich" in dem meterhoher Schlamm stand leer schaufeln und den Schlamm in Schubkarren über die Böschung fahren.
Alles im Laufschritt, wochenlang oder Monate, ich weiß es nicht mehr.
Zwischenzeitlich erhielt ich einen Brief vom Gericht, in dem mir mitgeteilt wurde, daß "Fürsorgeerziehung" angeordnet worden war. Ich war von
keinem Richter dazu gehört worden. Meine schriftlichen Einwände blieben unbeantwortet. Auf meine Frage was aus meiner Lehre wird, antwortete der Heimleiter Tillich: „Ja wenn du im Knast
wärest, da ist so was möglich, bei uns nicht“.
Mir ist bekannt, daß ein Jugendlicher der im "Landesjugendheim Paulihof" Malerarbeiten verrichtete (d.h. verrichten mußte) sich aus Verzweifelung mit Verdünnung übergoß und sich anzündete. Er lag zu meiner Zeit im
Krankenhaus Schleswig mit schwersten Verbrennungen, mehrere Finger mußten amputiert werden. Er ist später an den Folgen im Krankenhaus verstorben. Seinen Namen weiß ich leider nicht mehr. Die
Heimleitung vertuschte dies als Unfall, bzw. bezeichnete es als "Rumspielerei". Diese Sache mit den Verbrennungen geschah 1964, verstorben
ist dieser Jugendliche entweder Ende
1964 oder Anfang 1965.
Wenn jemand, so wie ich, mehrmals entlaufen war, gab es eine Einweisung in die Psychiatrie zur
"Beobachtung". Dies wurde von der Heimleitung als "Bestrafung" deklariert.
(1965) Ich kam erst ins "Landeskrankenhaus Hesterberg" ("LKH Hesterberg") mitten in der Kreisstadt Schleswig. Hier handelte es sich um eine geschlossene
Anstalt, aber wenigstens wurde ich dort nicht geschlagen. Dort war ich meist unter Jugendlichen aus dem Heim, aber es gab
dort auch schon einen volljährigen Mörder, der mir stolz erzählte wie er seine Frau umgebracht hätte. Ebenfalls gab es dort einen uns bekannten volljährigen Sexualstraftäter. Das damalige
"LKH Hesterberg" heißt heute, nach Pravitisierung im
Wandel der "Gesundheitsreform", psychiatrische Fachklinik "Schlei-Klinikum Schleswig FKSL GmBH".
Meine Bitte dort im August 2007 um eine Kopie meiner damaligen "Krankenakte" wurde mit der "Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren" abgeschmettert.
(1965) Danach wurde ich vom "Landeskrankenhaus Hesterberg" ("LKH Hesterberg") in das "Landeskrankenhaus Stadtfeld" ("LKH Stadtfeld") verlegt, auch eine geschlossene
Psychiatrie, die ebenfalls mitten in der Kreisstadt Schleswig lag. (Diese ebenfalls geschlossene
Psychiatrie, nach Pravitisierung im Wandel der "Gesundheitsreform", gehört heute ebenfalls zur psychiatrischen Fachklinik "Schlei-Klinikum Schleswig FKSL GmBH") Hier war ich unter
Erwachsenen, die meiner Meinung nach wirklich krank waren und auch schon mal gefährlich werden konnten. Ich habe nachts im unbewachten Schlafsaal häufig Angst gehabt. Ich muß noch heute an die
nächtlichen Schreie denken, genug so manchen auch heute noch in Alpträume zu versetzen. Viele der "Insassen" im "Landeskrankenhaus Hesterberg" ("LKH Hesterberg") waren ans Bett fixiert. Ich habe dort auch Medikamente
bekommen. Was diese waren wollten die Pfleger mir nicht sagen. Stattdessen haben sie mir mit gewaltsamer Verabreichung gedroht falls ich vorhaben sollte mich zu weigern diese freiwillig
einzunehmen. Also habe ich sie genommen. Eine Wirkung konnte ich nicht feststellen. Trotz allem jedoch möchte ich sagen, daß es mir im "Landeskrankenhaus Stadtfeld" ("LKH Stadtfeld") besser ging als im Heim, dem "Landesjugendheim Paulihof" in Schleswig.
(1965) Eines Tages mußte ich meine Sachen packen und wurde von zwei kräftigen Männern aus dem "Landeskrankenhaus Stadtfeld" ("LKH Stadtfeld") abgeholt. Sie legten mir Handschellen an. Im Kleinbus saß
noch ein dritter der sich als Psychologe Dr. Kiback vorstellte. Er sagte mir, daß die Fahrt ins "Landesfürsorgeheim Glückstadt" geht. Während der Fahrt
faselte er die ganze Zeit etwas von „Sender“ und „Antenne“ und daß das bei mir nicht funktionieren würde. Als ich ihm sagte, er könne damit aufhören, sagte er: „In
Glückstadt haben sie schon ganz Andere klein gekriegt. Die werden dich fertigmachen für den Rest deines Lebens“. Dies war, wie mir später erst bekannt wurde, eines der ehemaligen
“Arbeitserziehunglager” im
Dritten Reich gewesen. Hier - im "Landesfürsorgeheim Glückstadt" - benutzten sie sogar noch in Jahre 1969, und, möglicherweise, auch noch Jahre darüber hinaus, die Einweisungsformulare aus der Nazi-Zeit:
Siehe, zum Beispiel, auch die Hinweise darfür @ http://www.landesfuersorgeheim-glueckstadt.de
[ Aus Wikipedia @ http://de.wikipedia.org/wiki/Gl%C3%BCckstadt ] "Glückstadt" Kreis Stein. "Glückstadt" ist ca 55 km Entfernung von Hamburg. Glückstadt
liegt am Nordufer der Elbe, etwa 50 km von der Mündung entfernt, 16 km südwestlich von Itzehoe, am Südrand Schleswig-Holsteins.
Überregional bekannt ist die Stadt vor allem durch die Fähre, die die Schleswig-Holsteiner Elbmarschen mit Wischhafen in Niedersachsen verbindet.
(1965) In "Glückstadt" an der Elbe
angekommen ist mir von der Schleuse her dieses, einem Gefängnis ähnlichen Komplexes ein riesiges Ölgemälde in Erinnerung. Es stellte irgendeinen "verlorenen Sohn" dar. Alles war bedrückend.
Es ging in die Kleiderkammer wo ich mich komplett ausziehen mußte. Ich wurde durchsucht und ein "Erzieher" steckte mir seinen Finger mit Fingerling in den After, sagte „Alles in
Ordnung“ und ich mußte die Heimkleidung anziehen.
Danach ging es in den Keller in eine Arrestzelle mit an die Wand geschlossener Pritsche. Eine Toilette gab es nicht. In der Ecke stand dafür ein Kübel und der stank vor sich hin. An diesem Tag
gab es kein Essen mehr aber das war mir einfach auch gleichgültig.
Spät abends, ich hatte gemerkt, daß hier noch andere eingeschlossen waren, versuchte ich durch Klopfen und Rufen Kontakt zu diesen anderen aufzunehmen. Plötzlich ging das Licht an, die Tür wurde
aufgerissen und zwei Männer schlugen mit Teleskop-Ruten auf mich ein. Ein dritter schleifte mich an den Haaren und am Ohr in eine größere Zelle. In dieser Zelle befand sich ein Gitterkäfig. Auf
einer Seite war im erhöhten Betonboden eine Holzpritsche eingelassen. An einer Seite befand sich eine Toilette aus Zement die von außen mit einem Schieber geleert werden konnte. In dieser Zelle
war ich auch später mehrmals.
Wie lange ich dieses erste mal in dieser Zelle mit Gitterkäfig verblieb kann ich nicht sagen, denn es war ständig das Licht an und es gab keine Verbindung zur Außenwelt. Dieser Raum war auch
irgendwie schalldicht. Ärztliche Behandlung wegen meines stark geschwollenen Ohres wurde mir verweigert. Als Verpflegung erhielt ich Schwarzbrot und Muckefuck. Später in Freiheit (ca 1967)
stellte ein Arzt fest, daß der Ohrknorpel gebrochen war aber sauber wieder zusammengewachsen ist. Ertasten kann man das auch heute noch deutlich.
Später, nach einiger Zeit in der Zelle mit dem Gitterkäfig, wurde ich in die "Gruppe" verlegt. Der "Erzieher" dort hieß Berner, er wurde "Bluthund Berner" genannt. Ich wurde der Schlosserei
zugewiesen und mußte dort arbeiten, geleitet von einem senilen Fiesling namens Arthur Scharp. Diese Arbeit war aber nicht als eine Schlosserausbildung vorgesehen, sondern nur als einfache
untentlohnte Schufterei gedacht, wärend der wir Aufträge für die eigene Einrichtung, andere Einrichtungen, Kunstschmiedearbeiten für die Stadt, und möglicherweise auch für private Kunden (sprich
“Geschäftsunternehmen”) erledigen mußten. Einen Lohn dafür gab es nicht.
Viele der anderen “Insassen" in Glückstadt, jedoch, arbeiteten, ebenfalls unter Zwang und unentlohnt, auf dem Dachboden, wo sie alltäglich Fischereinetze für eine Privatfirma knüpfen mußten. Ein
Mitarbeiter dieser Firma war ständig vor Ort auf dem Strickboden - wenn es nicht der Firmenbesitzer selbst war, ein gewisser Herr Ostermann. Ob die Firma, vielleicht von seinen Nachkommen
betrieben, heute weiterhin besteht, weiß ich nicht.
Ich galt in "Glückstadt" als
"Aufrührer". Einmal wurde ich dafür von "Bluthund Berner" derartig geschlagen, daß ich ins Krankenhaus Glückstadt kam. Diagnose Gehirnerschütterung. Den Ärzten wurde erzählt, daß es eine
Schlägerei unter Heiminsassen gegeben hätte. Mir wurde mit Bunker gedroht falls ich im Krankenhaus die Wahrheit erzählen sollte.
In der Schlosserei mußten die kaputten Sägeblätter im Büro abgegeben werden bevor es neue gab. Ich habe wochenlang gestückelt bis ein brauchbares Stück übrig war. Damit haben wir nachts das
Gitter durchsägt. Beim zweiten Schnitt konnten die Anderen nicht warten und haben es zu früh mit knebeln versucht. Resultat: es ging nichts mehr, die Sache wurde entdeckt und ich saß mal wieder
verprügelt im Gitterkäfig.
Danach kam ich für eine lange Zeit in eine der vielen sich im Keller befindenen Arrestzellen. Wie lange? Ich weiß es nicht mehr, es können zwei volle Monate gewesen sein. Ich verblieb dann auf
dieser Zelle als "Schläfer", d.h. Tagsüber auf dem Strickboden Fischereinetze knüpfen und nach der Arbeit in die Einzelzelle.
(1966) Die Matratzen, die hier lange nach dem Kriege in diesen Keller-Zellen in Glückstadt in Nutzung waren waren mit dem "Reichsadler und Hakenkreuz" versehen. Das war anscheinend nichts
ungewöhnliches im "Landesfürsorgeheim Glückstadt", denn dies war ja zuvor ein nationalsozialistisches “Arbeitserziehunglager” gewesen.
Sexuell belästigt wurde ich nur einmal. Der "Erzieher", der versuchte mich zu belästigen hieß Beyer oder Beier, genannt "Kalli Beyer, der arschfickende Heiland". Er hatte meist im Keller Dienst.
Als er mir an die Hoden faßte sagte ich ihm, daß ich es im Büro erzählen werde. Seine Antwort: „Dein Wort gegen meins, damit kommst du nicht weit“. Ich habe es trotzdem erzählt und
bekam vom "Erzieher" Soß, Spitzname "Fuzzy" eine Ohrfeige dafür. Allerdings wurde ich auch nicht wieder belästigt.
Die Zeit verstrich. ( Wie ich schon anfangs schrieb, dieser Bericht ist unvollständig. Beim Schreiben fallen mir manchmal spontan Begebenheiten ein. ) Wie oft ich gedemütigt und geschlagen wurde
weiß ich nicht mehr - unzählige Male. Einen weiteren Gerichtsbeschluß über "endgültige
Fürsorgeerziehung" habe ich niemals zu Gesicht bekommen; dieser muß aber wohl existiert haben.
(1966) Eines Tages wurde mir gesagt ich sollte ab sofort auf einem sogenannten "Außenposten" arbeiten. Die Arbeit war die Versorgung einer Kohle- Zentralheizung in der Benningsenstraße in
Glückstadt, in einem Haus in dem mehrere
"Erzieher" wohnten. Abends ging es aber immer noch in die Einzelzelle. Ich habe mich daraufhin erst mal ein paar Tage sachkundig über die Lage der Stadt gemacht und bin dann getürmt.
Wieder eingefangen kam ich natürlich wieder einige Tage in den Gitterkäfig; ich kannte das ja schon. Danach wieder Arbeit auf dem Strickboden Fischereinetze knüpfen.
(1966) Einige Wochen später wurde ich zum Heimleiter Jöhnson gerufen. Der sagte mir ich sollte entlassen werden. Ich habe spontan bitter gelacht, aber seltsamerweise war das ernst gemeint. Ich
war mittlerweile 18 Jahre alt und hatte eine sinnlose Zeit in einem "Kinderzuchthaus" verbracht. Ich frage mich heute noch was ich dort sollte.
Bei der Entlassung fehlten meine persönlichen Papiere, wie z.B. Zeugnisse, und diese sind auch nie wieder aufgetaucht.
Nach meiner Entlassung wurde entschieden, daß ich zur See fahre und ich habe eingewilligt. Bloß raus!!!!!!!!!!
Aufs Leben war ich nicht vorbereitet. Ich hatte plötzlich keinen festen Wohnsitz und wußte auch nicht wie ich zu einer Steuerkarte komme. Die Anfangszeit auf See mit Steuerklasse 6 ist mich teuer
zu stehen gekommen.
Als über 30-jähriger habe ich (ca 1983) das Jugendamt Pinneberg in Schleswig-Holstein aufgesucht und Einsicht in meine Jugendamtsakte verlangt.
Der Leiter des Jugendamtes aber verweigerte mir die Einsicht. Seine Worte: „Wissen Sie, wenn einer nach so vielen Jahren kommt macht sich ein gewisses Unbehagen breit“. Meine Antwort:
„Schlechtes Gewissen?“ ignorierte er. Er war nicht gewillt mir eine Kopie meiner Akte zur Verfügung zu stellen und bot mir nur an auf etwaiige Fragen meinerseits aus der Akte
vorzulesen. Er begründete dies mit “Datenschutz”.
Ich ging daraufhin sofort zu einem Anwalt in derselben Straße, mußte 200 DM auf den Tisch legen und das Jugendamt wurde angeschrieben. Erst als der Anwalt mit Klage drohte konnte ich endlich die
Akte einsehen.
In dieser Akte stehen einige Lügen seitens meiner Familie und Beurteilungen von Personen die mich nie gesehen haben; aber einen wirklichen Grund für die Behandlung wie sie mir widerfahren ist
habe ich dort nicht gefunden.
Rolf Breitfeld
Siehe auch:
1.) Diplomarbeit von Karsten Hanstein aus dem Jahre 1997 betreffend dem Landesfürsorgeheim Glückstadt in Schleswig-Holstein, mit Interviews mit zwei dort in den siebziger Jahren inhaftierten Fürsorgezöglingen @ Diplomarbeit-von-Karsten-Hanstein-aus-dem-Jahre-1997-betreffend-dem-Landesfuersorgeheim-Glueckstadt-in-Schleswig-Holstein.pdf
2.) DIE-HOELLE-VON-GLUECKSTADT_-_vorheriges-Arbeitserziehungslager-und-dann-in-der-Bundesrepublik-Deutschland, -Landesfuersorgeheim-in-Schleswig-Holstein-an-der-Elbe.html
3.) GOOD-NEWS-I-.-Der-HOLSTEINER-COURIER-in-seiner-ONLINE-AUSGAGE-vom-05.07.2007-.-Ehemalige-Heimkinder-Treffen-mit- Sozialministerin-Dr.-Gitta-Trauernicht.html
4.) GOOD-NEWS-II-.-03.07.2007-.-Ehemalige-Heimkinder-in-einem-mehrstuendigen-Treffen-im- Landeshaus-Kiel,-Schleswig-Holstein,-mit-der-zustaendigen-Ministerin-Frau-Dr.-Gitta-Trauernicht.html
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