Der Betreiber dieser Webseite ist der hoch-engagierte Martin Mitchell
in Australien (ein ehemaliges “Heimkind” in kirchlichen Heimen im
damaligen West-Deutschland)
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SVZonline:
LEIPZIG (09.06.04) – DER MEERANE PROZESS – Ehemalige
Zöglinge brechen ihr Schweigen. Heimkinder, Opfer der
Heimerziehung der damaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR),
klagen an. Prozess gegen vier Erzieher aus DDR-Spezialkinderheim
Meerane wegen Misshandlung. Verspätete Aufarbeitung eines der
letzten düsteren Kapitel der DDR.
Nachrichten
aus Deutschland & der
Welt
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Ursprünglich enthoben von Mecklenburg-Vorpommern
Zeitung ]
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http://www.svz.de/newsdw/DWVermischtes/09.06.04/ehe/ehe.html
]
Mittwoch,
9.Juni 2004
Ehemalige Zöglinge
brechen ihr Schweigen
Prozess wegen Misshandlung gegen
vier Erzieher aus DDR-Spezialkinderheim Meerane
Leipzig/Meerane
(dpa) Das jahrelange Tauziehen ging bis zum Bundesverfassungsgericht
nach Karlsruhe: 14 Jahre nach der Einheit wird nun eines der letzten
düsteren Kapitel der DDR doch noch aufgearbeitet. Vier Erzieher
eines früheren DDR-Spezialkinderheimes im sächsischen
Meerane müssen sich vom 14. Juni an vor dem Landgericht Leipzig
verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei 45 bis 62 Jahre
alten Männern und einer 43-jährigen Frau Misshandlungen von
Zöglingen vor. Sie sollen zwischen 1986 und 1989 Schutzbefohlene
auf grausamste Art gedemütigt haben.
Hauptzeuge ist ein
29-jähriger, der als Nebenkläger auftritt. Ein Jahr war er
in der Psychiatrie, wurde 1995 als erwerbsunfähig eingestuft.
Laut Anklage ist dies Folge der Misshandlung, die er als
Zwölfjähriger im Spezialkinderheim "Erich Hartung"
in Meerane erlitt. Für seine Aussage ist der ganze zweite
Prozesstag vorgesehen. Seine Erinnerungen flossen bereits in ein
Buch. Danach war die Zeit im Heim ein Martyium: Erste Misshandlungen
schon bei der Aufnahme gipfelten darin, dass eine Erzieherin seinen
Kopf in ein Toilettenbecken presste und die Wasserspülung
zog.
Staatsanwalt: Tritte
und Schläge
Nachdem er seine Erlebnisse
öffentlich gemacht hatte, brachen auch andere ihr Schweigen. Die
Anklage benennt insgesamt neun Ex-Zöglinge. Die heute 28- bis
35- Jährigen berichten von Tritten und Schlägen, einer
kalten Arrestzelle im Keller, stundenlangem Stehen und "Entengang"
in der Hocke im Flur sowie sexuellen Übergriffen. Die
Staatsanwaltschaft Chemnitz geht von Freiheitsberaubung, Verletzung
der Erziehungspflicht und Körperverletzung aus. Dem 45 Jahre
alten Angeklagten wird zudem sexueller Missbrauch vorgeworfen.
Die
Richter am Landgericht Chemnitz waren von einer Verjährung der
Taten ausgegangen. Die Staatsanwaltschaft folgte dieser Auffassung
ebenso nicht wie der Bundesgerichtshof. Auch das
Bundesverfassungsgericht sah keine Verjährung: Die vorliegenden
Fristen sind durch die Wiedervereinigung und weitere gerichtliche
Entscheidungen unterbrochen (Az.: 2BvR 1247/01 und 2 BvR
1248/01).
"Wir wollten Angeklagten wie Zeugen den
schwierigen Prozess nicht zumuten, ohne dass die Rechtslage klar
ist", sagt Verteidiger Klaus Schurig.
Verteidiger:
An der Sache ist nichts dran
Der Leipziger Jurist
vertritt den 45 Jahre alten Erzieher, der immer noch im Meeraner Heim
arbeitet [Das Heim ist seither von der Diakonie übernommen
worden.]. "An der Sache ist nichts dran. Der Prozess ist eine
gute Gelegenheit, das darzustellen", sagt er. "Ich habe
keinerlei Ansätze für Bedenken", sagt Ingolf Wachs,
der als Geschäftsführer des Erziehungsfördervereins
Meerane (efv) seit Januar 2002 dessen Dienstherr ist.
Aus dem
Spezialkinderheim wurde das Kinder- und Jugendheim "Georg Krause
Haus", dessen Träger der anerkannte Verein seit 1993 ist.
Jahrelang war einer der Angeklagten dort als Vereins-Mitbegründer
auch Geschäftsführer. Dem 62-Jährigen war laut Wachs
erst Ende 2001 gekündigt worden. Er sowie ein weiterer
Angeklagter, der lange stellvertretender Bürgermeister in
Meerane war, dokumentieren das Schweigen zu den Vorgängen.
"Wir
wissen um die problematische Rolle, die das Gebäude in der
Vergangenheit spielte", sagt Wachs. "Ich hoffe, der Prozess
kann die Vorwürfe aufklären und zeigen, ob es um
regimebezogenen Interessen ging oder es sich um personenbezogenes
Versagen handelt." Die 5. Strafkammer hat dafür bis Anfang
Oktober 18 Verhandlungstage geplant. Dabei sollen 50 Zeugen gehört
werden, darunter zwei psychiatrische Gutachter aus der Nervenklinik
Bayreuth.
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Keine
Verjährung
Die juristische Aufarbeitung zum
früheren DDR-Spezialkinderheim im sächsischen Meerane
begann im September 1999. Das Landgericht Chemnitz lehnte die
Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen Freiheitsberaubung,
Verletzung der Erziehungspflicht, Körperverletzung sowie
sexuellen Missbrauchs wegen Verjährung der Straftaten ab.
Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Chemnitz Beschwerde ein.
28.
April 2000: Das Oberlandgericht Dresden eröffnet das
Verfahren und verweist es zur Verhandlung an eine Strafkammer des
Landgerichts Chemnitz.
11. August 2000: Die 3.
Strafkammer des Landgerichts Chemnitz stellt das Verfahren gegen alle
vier Angeklagten ein. Begründung im Urteil: Die Angeklagten
Taten sind verjährt.
12. Juni 2001: Der in Leipzig
ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hebt das
Chemnitzer Urteil auf und verweist den Fall zur neuen Verhandlung an
das Landgericht Leipzig.
1. August 2002: Auf Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) in Karlsruhe muss das
Langericht das Verfahren so lange ruhen lassen, bis das höchste
deutsche Gericht über die Beschwerde von zwei Angeklagten
entschieden hat. Der für den 9. September geplante Prozess in
Leipzig platzt.
26. November 2003: Das BverfG verwirft
die Beschwerde der Angeklagten und entscheidet, dass die angeklagten
Taten nicht verjährt sind.
©
Schweriner Volkszeitung online, 1995-2004
[
Erstveröffentlichung auf dieser Webseite: 9. Juni 2004 ] [
Hauptüberschrift vom hiesigen Redakteur hinzugefügt ]
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