VON ANJA
SPARBROD
■ Paderborn. Matthias Lehmkuhl und Peter
Dittrich vom Landesjugendamt beim Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) sind geschockt. „Das ist ja wohl
unvorstellbar“, sagt Lehmkuhl. Mehr als drei Stunden haben
die beiden LWL-Mitarbeiter sich die Lebensgeschichten von
Menschen, die ihre Kindheit und Jugend in christlichen Heimen
verbringen mussten angehört.
Und when die
einzelnen Geschichten der 50er, 60er und 70er jahre ganz
unterschiedlich sind: Die Menschen, die sich im
Arbeitslosenzentrum in Paderborn versammelt haben, berichten von
Schlägen, Schikanen, Missbrauch. Da ist Gerd, der am
Salvatorkolleg in Höfelhof für große Unternehmen
arbeiten musste. War er aufsässig, kam er in den „Bunker“.
Nur ein Bett und ein Eimer waren in dem Raum. „Zwei Wochen
keinen zum Sprechen, nichts zu lesen“, sagt er. Seine Stimme
wird brüchig, Ehefrau Elke kommen die Tränen. Viel zu
lange hat ihr Mann geschwiegen.
Hermine berichtet von ihren
Erlebnissen im Kinderheim Eschweiler. Kinder wurden halb tot
geschlagen“ sagt sie. Pierre, der mit zwölf
Geschwistern im St. Hedwigsheim in Lippstadt untergebracht war,
durfte „zur Strafe“ nicht zur Berdigung seiner Mutter
und Stefan kann sich noch an die Namen jedes einzelnen Mannes
erinnern, der sich die kleinen Jungs am Wochenende aus dem
Josefskinderheim in Lippstadt zu sich nach Hause holte, um
sie dann zu missbrauchen. „Es ist
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bedrückend,
so etwas zu hören“, sagt Dittrich. Als vor einem halben
Jahr die ersten Schicksale von ehemaligen Heimkindern an die
Offentlichkeit kamen, stoppte der LWL sofort die tournusmäßige
Vernichtung von Akten. „Viele Akten aber existieren leider
nicht mehr“, so Ditrich. Und die so beschuldigten Nonnen,
Heimleiter und zuständigen Aufsichtspersonen beim LWL sind
inzwischen betagt und alt.
„Wir können nur
anbieten, dass wir bei der Aufarbeitung der Einzelfälle
behilflich sind“, so die beiden Mitarbeiter vom
Landesjugendamt. Darüber hinaus werde sich der
Landesjugendhilfeausschuss in seiner nächsten Sitzung noch
vor Weinachten mit dem Thema befassen. Das ist auch der Initiative
der Paderbornerin Marlene Lubek zu verdanken, sie ist Mitglied der
SPD-Kreisfraktion in Paderborn und der Landschaftsversammlung in
Münster. Auch die Träger der Freien Wohlfahrtspflege
werden inzwischen sensibel für die Thematik: Die Caritas in
Paderborn plant eine Fachtagung zum Thema.
Zu einer
Vereinsgründung, wie es eigentlich geplant war, kam es noch
nicht. Statt dessen haben sich die Betroffenen zur
„Interessengemeinschaft der ehemaligen Heimkinder
Deutschland“ zusammengeschlossen. [ … die Details des
damaligen Ansprechtspartners werden danach angegeben, sind aber
absichtlich hier weggelassen worden, da diese heute nicht mehr
zutreffen …].
© Neue
Westfälische 2003
[ Enthoben
von Martin Mitchell von einem Exemplar dieser selbst
]
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