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Süddeutsche Zeitung-online vom 04.07.2007: Matthias Drobinski: »Sexueller Missbrauch«
»Das Schweigen der Hirten« – Sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen
bei Priestern und Kirchenangestellten in der Katholischen Kirche in Deutschland.
Missbrauchsopfer Norbert Denef will eine Stiftung einrichten
um anderen kirchlichen Missbrauchsopfern zu helfen.

Süddeutsche Zeitung -

[ Enthoben aus dem Internet @ http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/850/79771/print.html ]

Sexueller Missbrauch
Das Schweigen der Hirten
Vor drei Jahren beschlossen die deutschen Bischöfe Leitlinien zum Umgang mit Übergriffen von Kirchenleuten. Doch viele Opfer von sexuellen Belästigungen bleiben auch heute noch ohne Hilfe.

Von Matthias Drobinski

04.07.2006


Zeichen der Demut: Priester bei ihrer Weihe im Freiburger Münster Foto: dpa

Die Ruine, der Baum. Gegenüber dem Pfarrhaus wurde ein Gasthof abgerissen, ein mickriger Baum fristete in Staub und Trümmern sein Dasein. Markus sieht das heute noch so vor sich wie damals, als er da stand, unfähig, sich zu bewegen. Er wollte bei Pfarrer P. eine Musikkassette abholen.

Auf einmal zog der Geistliche, gut 50 Jahre alt, Markus (Name geändert) zu sich aufs Sofa, er öffnete dem Jugendlichen die Hose. Als er es dann mit einem Zungenkuss versuchte, machte der Junge sich los und flüchtete.

Markus, damals 16 Jahre alt, war ein gläubiger, kirchlich engagierter Mensch. Sein Glaube zerbrach an diesem Tag im Herbst 1994 in einem Pfarrhaus im Kreis Rottal/Inn.

Einmal hat er die Geschichte einer Freundin erzählt; sie informierte ihre Eltern, die den Pfarrer zur Rede stellten. Der stritt alles ab, und als dann noch eine Vertrauenslehrerin sagte, er bilde sich da wohl etwas ein, schwieg er fortan über sein Erlebnis, bald darauf zog er weg von zu Hause.

„Ich dachte, das Kapitel wäre abgeschlossen“, sagt der schlanke Mann heute. Es ging ihm gut, er wurde Krankenpfleger, lebte sein eigenes Leben. Bis seine Mutter krank wurde und klar war: Sie würde sterben. Noch immer war P. Pfarrer in Falkenberg. „Der beerdigt meine Mutter nicht“, dachte Markus. Zumal es Gerüchte über weitere Missbrauchs-Fälle in der Gemeinde gab.

„Da glaubte mir einer“
Fast vier Jahre ist es her, dass in Deutschland, nach einigen Skandalen in den USA, der sexuelle Missbrauch durch Kleriker und Kirchenangestellte ein Thema wurde. Nach anfänglichem Zögern wurde den Bischöfen klar, dass die katholische Kirche hier eine besondere Verantwortung hat, auch wenn die Zahl der Fälle hier nicht größer ist als in anderen Institutionen, wo Erwachsenen Kinder anvertraut werden.

Im September 2002 beschlossen sie „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker und Kirchenangestellte“. Die Bistümer verpflichteten sich, bei Verdacht auf Übergriffe mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, den Verdächtigen zu beurlauben, die Öffentlichkeit zu informieren. In jeder Diözese gibt es seitdem eine Vertrauensperson, die den Opfern helfen soll. Jeder Übergriff eines Geistlichen muss zudem nach Rom gemeldet werden.

Und die Kirche versprach, sich auch um die Opfer zu kümmern. So besorgte sich, zehn Jahre nach dem Überfall im Pfarrhaus, Markus einen Termin bei Gerhard Leinhofer. Der Psychologe ist im Bistum Regensburg zuständig für Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. „Es war ein sehr gutes Gespräch“, erinnert sich Markus, „da glaubte mir einer“.

Sechs Wochen später wurde Pfarrer P. tatsächlich in ein Frauenkloster versetzt. Allerdings informierte das Bistum die Staatsanwaltschaft nicht - ein Verstoß gegen die Leitlinien. Doch auch Markus hatte kein Interesse daran, den Fall öffentlich zu machen.

Die Ombudsleute sind mal der Generalvikar und mal der Personalchef - also übernehmen die Vorgesetzten der möglichen Täter die erste Betreuung der Opfer. Oder es ist der Pfarrer eines katholischen Krankenhauses, ein pensionierter Richter oder Oberstudienrat, ehrenwerte, im Zweifel aber machtlose Leute.

Es liegt am einzelnen Bischof und der jeweiligen Verwaltung, wo die Opfer welche Hilfe finden, wie schnell die Staatsanwaltschaft und die Öffentlichkeit unterrichtet werden. Ein bundesweiter Austausch über die jeweiligen Erfahrungen findet bislang nicht statt; die Zahl der nach Rom gemeldeten Missbrauchsfälle wird nicht veröffentlicht.

Nur sieben Bistümer haben unabhängige Experten berufen oder ein Team gebildet, in dem unabhängige Experten vertreten sind: Bamberg, Köln, Limburg, München-Freising, Osnabrück, Paderborn, Rottenburg-Stuttgart und Würzburg.

Dabei ist die Unabhängigkeit der Ombudsleute besonders wichtig, sagt Johannes Heibel von der Siershaner „Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen", seit Jahren ein scharfer Kritiker des kirchlichen Umgangs mit dem Thema. „Auch wenn die Beauftragten gute Absichten haben - als Teil der Kirchenhierarchie sind sie nicht frei und werden von den Opfern als Vertreter der Täterseite wahrgenommen.

So wäre Pfarrer P. wohl nie vor den Richter gekommen, hätte nicht der Kirchenpfleger, ein Fan des streitlustigen Geistlichen, unfreiwillig den Stein ins Rollen gebracht. Der schrieb an die Lokalzeitung, P. müsse über die Gründe seiner Versetzung schweigen und dürfe sich nicht gegen die Verleumdung zur Wehr setzen, er habe Jugendliche missbraucht. Daraufhin erst ermittelte die Staatsanwaltschaft Landshut, und im November 2005 verurteilte das Amtsgericht Eggenfelden den Pfarrer zu 18 Monaten Haft auf Bewährung.

Ausdrücklich vermerkte damals der Richter, dass nicht das Ordinariat an die Staatsanwaltschaft herangetreten war. Auf ein Berufungsverfahren verzichtete der Geistliche.

Gute Vorsätze, aber keine Strafen
Der Fall ist skurril, aber auch typisch: Die katholische Kirche reagiert nicht mehr mit Ignoranz auf Missbrauchsfälle von Priestern; pädophile Geistliche werden nicht mehr einfach in die nächste Pfarrei versetzt, wie das vor fünfzehn Jahren noch häufig der Fall war. Aber viele der guten Vorsätze, die Deutschlands katholische Hirten vor drei Jahren fassten, sind Absicht geblieben.

Das erfuhr auch Norbert Denef. 56 Jahre alt ist er mittlerweile, Familienvater, beruflich erfolgreich. Doch auch ihm steht immer ein Bild vor Augen - das Bild des Zimmers in Delitzsch, in dem er gequält wurde: die bunt gemusterte Tapete, der Schreibtisch mit dem Astloch. In das Astloch steckt er jedesmal seinen Finger und bohrt herum, wenn Pfarrer K. sich an ihm zu schaffen macht. Von 1958 an wurde der Junge missbraucht, erst vom Pfarrer, später von einem weiteren Kirchenmitarbeiter.

Mit 40 bekam Denef Depressionen, doch erst 1993 erzählte er von seinen Erlebnissen. Es dauerte zehn weitere Jahre, bis er sich an das Bistum Limburg wandte, wohin der Pfarrer und der Kirchenmitarbeiter gewechselt waren. Generalvikar Günther Geis versprach schnelles Handeln - als Denef aber das Wort „Entschädigung“ fallen ließ, verwies er an das Bistum Magdeburg, auf dessen Gebiet Delitzsch liegt.

Schweigen für 25000 Euro
Lange hörte Norbert Denef nur Andeutungen über ein Geständnis des Pfarrers; als der starb, meldete er auch den zweiten Täter beim Bistum. Das reagierte nun prompt: Ja, der Mann habe die Taten gestanden, und Denef solle sagen, „in welchem Rahmen Sie Hilfen und Unterstützung vom Bistum Limburg erwarten“.

Der berechnete die Kosten für diverse Therapien für sich und seine Familie und kam auf 122 850 Euro. Erschrocken verwiesen die Limburger wieder an die Magdeburger, die dann am Ende 25 000 Euro überwiesen, verbunden mit der Bitte, die Geschichte bitte nicht öffentlich zu machen.

Norbert Denef, das erste Missbrauchsopfer, das eine Entschädigung von der katholischen Kirche erhielt, wandte sich trotzdem an den Spiegel, „damit es andere leichter haben“.

Wie leicht oder wie schwer es die Opfer mit der katholischen Kirche haben, hängt von Zufällen ab. Die Ausgestaltung der Richtlinien ist den 27 deutschen Bistümern überlassen, Verstöße gegen die Selbstverpflichtung haben keine Konsequenzen.

» Die Sensibilität ist gewachsen, aber es fehlt noch der richtige Umgang mit Tätern und Opfern «

Benediktiner Wunibald
Müller

Betroffene finden kaum Gehör

Schon die Suche nach einem kirchlichen Ansprechpartner kann schwierig werden. Auf den Homepages der Bistümer Augsburg, Dresden, Essen, Freiburg, Mainz, Passau, Regensburg und Rottenburg-Stuttgart ist die Telefonnummer des oder der Beauftragten für Missbrauchsopfer nicht zu finden; Betroffene müssen sich durchfragen“, sagt er.

Inzwischen habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auffällig gewordene Priester „nicht einfach in die nächste Gemeinde versetzt werden können“, sagt er - „aber immer wieder kehren sie nach drei oder vier Jahren als angeblich therapiert in eine Gemeinde zurück, auch in der evangelischen Kirche“.

Almosen statt Entschädigung
Auch Bernd Göhring von der Initiative Kirche von unten (IKvu) kritisiert die „grundsätzliche Täterorientierung“ der bischöflichen Leitliniegfn. Statt eines Entschädigungsanspruchs gebe es „Almosen“, der ganze Bereich der Prävention sei überhaupt nicht im Blick. Eine bundesweit verantwortliche, unabhängige Ombudsstelle, „zum Beispiel fachaufsichtspflichtig angesiedelt beim Bundesfamilienministerium“, würde den Opfern besser helfen als das gegenwärtige System der Diözesan-Beauftragten.

Vorschläge, die derzeit keine Chance haben. In den Bistümern fürchtet man Schadenersatzklagen nach amerikanischem Vorbild. Und auch, von angeblichen Missbrauchsopfern missbraucht zu werden, wenn man ohne zweifelsfreie Beweise jemandem vom Dienst suspendiert, die Öffentlichkeit informiert, eine Therapie finanziert oder eine Entschädigung zahlt. Als abschreckendes Beispiel gilt ein Fall aus dem Bistum Würzburg, wo eine Frau auf die Behauptung hin, sie sei missbraucht worden, eine Therapie finanziert bekam, bis die Zweifel an der Geschichte überhand nahmen.

Keine Therapien für Priester
„Bei den Kirchenverantwortlichen ist die Unsicherheit groß“, sagt Wunibald Müller, der Leiter des Recollectiohauses für Priester in seelischer Not im Benediktinerkloster Münsterschwarzach, „die Sensibilität ist gewachsen, aber es fehlt vielfach noch der richtige Umgang sowohl mit den Tätern als auch mit den Opfern.“ Es gebe zu wenig Therapiemöglichkeiten für Priester mit sexuellen Problemen, „viele werden dann ins Archiv versetzt, aber das hilft ihnen nicht“.

Anders als Heigel und Göhring hält er die bischöflichen Leitlinien insgesamt für einen Erfolg: „Das Handeln der Bistümer kann an der Selbstverpflichtung gemessen werden, dadurch hat sich einiges verbessert.“

Zu wenig, findet Norbert Denef. Die 25 000 Euro will er als Grundstock für eine Stiftung nehmen, die Missbrauchsopfer unterstützt; er organisiert Fernsehtermine, Radioauftritte, Zeitungsinterviews, es ist seine Art, zu verarbeiten.

Glück im Unglück: „Ich habe mich gewehrt“
Markus ist da weniger kämpferisch, eine Entschädigung will er nicht - aber entschuldigen können hätte sich das Bistum schon bei ihm, findet er. „Ich habe Glück im Unglück gehabt“, sagt der heute 28-Jährige, „ich habe mich gewehrt. Viele Opfer schaffen das nicht.“

Losgelassen hat ihn der Fall aber bis heute nicht. Pfarrer P. kommt privat immer noch in die Gemeinde, dann liegen in der Kirche seine Gedichte, zusammengereimte Geschichten vom armen, einsamen Mann.

Immer wieder hätten ihm Menschen aus der Gemeinde Mut gemacht sagt Markus. Aber erst vor einer Woche klingelte das Handy, eine Frauenstimme schimpfte: „Was haben Sie dem armen Pfarrer angetan!“ „Er ist rechtskräftig verurteilt“, antwortete Markus, doch die anonyme Anruferin sagte nur: „Auch Gerichte können irren.“


[ Erstveröffentlichung auf dieser Webseite: 21. März 2007 ]


Subindex Nr. 6

Institutioneller Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung in katholischem Kinderheim -
sechs Jahre hindurch von einem Prister missbraucht - zehn Jahre lang misshandelt -
Katholische Kirche in Deutschland verklagt wegen Sexuellem Missbrauch -
Tatort: "
Marienheim" in Würzburg in den Jahren 1964 bis 1974.


Bild.T-Online – News 10.10.2004 – Bundesrepublik Deutschland.
Institutioneller Kindesmissbrauch im katholischen Marienheim in Würzburg.
Kirche zahlt Schweigegeld und versucht Opfer zum Schweigen zu verpflichten.


Öffentliche Stellungnahme der Katholischen Kirche zur Anschuldigung
von "Zahlung von Schweigegeld an Missbrauchsopfer", ein ehemaliges Heimkind
im Marienheim in Würzburg
(1964 – 1972, im Alter von 4 -12 Jahren).
Es war "Hilfe aus rein karitativen Gründen" meint das Ordinariat Würzburg.


KIRCHE: Verirrte Hirten vergreifen sich an einem Minderjährigen: Norbert Denef
40 Jahre nachdem sich ein Priester an einem Ministranten verging,
hat die katholische Kirche Deutschlands
nun erstmals das Opfer eines sexuellen Missbrauchs entschädigt.


Süddeutsche Zeitung-online vom 04.07.2007: Matthias Drobinski: »Sexueller Missbrauch«
»Das Schweigen der Hirten« – Sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen
bei Priestern und Kirchenangestellten in der Katholischen Kirche in Deutschland.
Missbrauchsopfer Norbert Denef will eine Stiftung einrichten
um anderen kirchlichen Missbrauchsopfern zu helfen.


SEXUELLER MISSBRAUCH - 1962 - Vatikan verordnete "ewiges Schweigen"

nicht nur in Deutschland . . .
Kindesmissbrauch [im katholischen Internat in Österreich auch]:
Die Männer tragen Kutte und Kreuz

ÖSTERREICHISCHES "WOMAN" Magazine, Heft 22/04, und WOMANonline@
www.news.at/article/0432/550/88999.shtml


Österreicherin Eva Nowatschek, Mutter eines von den Katholischen Schulbrüdern
in einem österreischen Internat über längere Zeit hinweg missbrauchten Sohn, teilt mit

( Mitteilung formuliert von der Mutter des Missbrauchsopfers selbst ):



Bitte nicht vergessen auch "Ehemalige Heimkinder" @ http://heimkinderopfer.blogspot.com zu besuchen.


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