Der Betreiber dieser nichtkommerziellen Webseite ist der hoch-engagierte Martin Mitchell in Australien (ein ehemaliges “Heimkind” in kirchlichen Heimen im damaligen West-Deutschland) |
[ Aus dem Internet enthoben @ http://www.unsere-kirche.de/index_343.html ] Nachrichten aus Westfalen [ Betreffs der damaligen Anstalt Freistatt im Wietingsmoor − heute Diakonie Freistatt − in Niedersachsen ] Freistätter Jugendliche bei der Arbeit im Moor. Foto: Bildarchiv Bethel Jugendliche zur Arbeit geprügelt Jugendfürsorge: Der Leiter der Diakonie Freistatt, Wolfgang Tereick, nimmt Stellung zu Vorwürfen Von Anke von Legat Die Vorwürfe, die der Journalist Peter Wensierski gegen die Behandlung von Jugendlichen zwischen 1950 und 1970 in der Diakonie Freistatt erhebt, sind zum großen Teil berechtigt. Das bestätigte der heutige Leiter der Teilanstalt der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, Wolfgang Tereick, im Gespräch mit UK. Allerdings seien die Anschuldigungen nicht neu. Schon seit Jahren bemühe sich die diakonische Einrichtung um eine Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. "Wir müssen dazu stehen und uns in die Auseinandersetzung begeben", sagte Tereick. Freistatt war zur fraglichen Zeit ein Fürsorgeerziehungsheim - für viele straffällig gewordene Jugendliche eine Alternative zum Zuchthaus. Tereick weiß aus den Akten, dass zumindest in einem Fall ein jugendlicher Mörder eingewiesen wurde. "Aber es gab auch Jungen, die wegen Lappalien angezeigt und eingesperrt wurden - weil es die Nachbarn ärgerte, dass sie die falsche Musik hörten oder mit einem Mädchen unterwegs waren." Eine objektive Überprüfung der Vorwürfe habe es nicht gegeben. "Die Mühe hat man sich weder in Freistatt noch in der Justiz gemacht", weiß Tereick. Das pädagogische Mittel zur "Besserung" der Jungen - nach Freistatt kamen nur männliche Jugendliche - war die körperliche Arbeit. Da die allermeisten über 14 und damit nicht mehr schulpflichtig waren, konnten sie den ganzen Tag in der Torfstecherei oder der Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Umstände, unter denen das geschah, werden der Diakonie Freistatt jetzt vorgeworfen: Die Jugendlichen seien als billige Arbeitskräfte missbraucht worden, bis zu zwölf Stunden am Tag, sommers wie winters. Dabei herrscht militärischer Drill; Schläge waren an der Tagesordnung. Beiträge zur Sozialversicherung wurden nicht gezahlt. Eine Schul- und Berufsausbildung war nur bei guter Führung und nur sehr eingeschränkt möglich: In der Regel wurden die Jugendlichen aus ihrer Berufsausbildung herausgerissen und hatten in Freistatt keine Möglichkeit, weiter zu lernen. "Das war zwar vor dem Gesetz richtig", sagt Tereick. "Aber auch in den 50er Jahren war schon klar, dass jemand ohne Schulabschluss oder Lehre keine großen Chancen im Leben hat." Diskussionen über die Art der Erziehung habe es damals nicht gegeben. Den Erziehern selbst sei daraus kaum ein Vorwurf zu machen, meint Tereick. Wer als junger Diakon als Erzieher nach Freistatt kam, übernahm die vorgegebene Art des Umgangs mit den Jugendlichen. Aber, so erzählt der Leiter der Anstalt, er wisse von Diakonen, die daran zerbrochen seien. "Ich habe mit Leuten gesprochen, die mir gesagt haben: Ich bin doch nicht Diakon geworden, um Jugendliche zur Arbeit im Torf zu prügeln, ich hatte andere Ideale." Manche der jüngeren Erzieher hätten später versucht, aus der Situation das Beste zu machen, indem sie sich mit dem System arrangierten, dabei aber versuchten, einzelnen Zöglingen das Leben zu erleichtern. Das sei von den Jugendlichen auch so wahrgenommen worden, wie Reaktionen aus jüngster Zeit zeigten. Ehemaligen Zöglingen, die sich mit ihrer Vergangenheit in Freistatt beschäftigen, möchte man so weit wie möglich entgegenkommen. "Selbstverständlich können sie bei uns ihre Akten einsehen", betont Tereick. "Viele, die das tun, finden dabei ein Stück ihrer Kindheit wieder: Fotos, Briefe - sonst haben sie ja aus dieser Zeit nichts." Immer wieder gebe es außerdem Anfragen von Ehemaligen, die für ihre Arbeit im Torfmoor oder in den landwirtschaftlichen Betrieben den Nachweis über eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit anfordern. Auch diese würden selbstverständlich ausgestellt. Allerdings weiß Tereick auch, dass die Rentenkassen trotz Bescheinigungen nicht bereit seien, die Zeiten in Freistatt für die Rente anzuerkennen. "Aber rückwirkend die Beträge zu zahlen, das können wir uns nicht leisten", bedauert er. Eine pauschale Entschuldigung hält Tereick jedoch nicht für sinnvoll. "Die Jugendlichen, die in Freistatt waren, haben hier wirklich Leidensgeschichten erlebt. Aber wenn ich mich als heutiger Geschäftsführer entschuldige - das wäre zu billig", sagt er. "Wichtiger fände ich eine Entschuldigung durch die Erzieher selber. Aber kann man das von über 80-Jährigen noch erwarten?" Literatur zum Thema: Peter Wensierski, Schläge im Namen des Herrn, Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik. München, Deutsche Verlags-Anstalt, 19,90 Euro. Wolfgang Motzkau-Valeton: Streiflichter aus der Geschichte der Diakonie Freistatt, Schröderscher Buchverlag, 68 Seiten. |
Bitte nicht vergessen auch "Ehemalige Heimkinder" @ http://heimkinderopfer.blogspot.com zu besuchen. |
Bitte nicht vergessen auch "Ehemalige Heimkinder" @ http://heimkinderopfer.blogspot.com zu besuchen. |
Wichtiger Hinweis: Diese Seite wird ziemlich häufig aktualisiert. Damit Sie immer die aktuellsten Beiträge präsentiert bekommen, raten wir Ihnen, bei jedem Besuch dieser Seite auf Ihrem Browser den "refresh/aktualisieren" - Button zu drücken! |
Home | Impressum | Kontakt | Zurück nach oben |