Der Betreiber dieser nichtkommerziellen Webseite ist der hoch-engagierte Martin Mitchell in Australien (ein ehemaliges “Heimkind” in kirchlichen Heimen im damaligen West-Deutschland) |
( 20.08.2003 )
Die wahre Geschichte der damaligen ANSTALT FREISTATT aufgedeckt und erstmalig im Internet veröffentlicht! ANSTALT FREISTATT, Torfgewinnungsgesellschaft im Bethel eigenen Wietingsmoor, ein privat-kirchliches Wirtschaftsunternehmen und Moorlager Arbeitserziehungslager / Arbeitszwangslager der Diakonie (1899-1991), das noch jahrzehntelang nach dem Zweiten Welt Krieg in der Bundesrepublik Deutschland angewendet wurde, wo 14 bis 21 Jahre alte “schwererziehbare” jugendliche deutsche Zwangsarbeiter systematisch getrimmt und auf das Schlimmste misshandelt wurden.
Von Martin
Mitchell aus Australien zusammengestellte Auszüge von
verschiedenen Quellen (meistens Betheleigene Literatur). Nicht in
seinen eigenen Worten wiedergegeben, sondern, soweit wie möglich,
genaue Zitate. Alle Loblieder die von Bethel dazwischen gesetzt
worden waren (und den überwiegenden Text der Quellen
darstellten), sind hier weggelassen worden.
[ Arbeiter Kolonie
und Erziehungsanstalt ] Freistatt war von Anfang an ein
Wirtschaftsunternehmen.
Um mit dem Torfabau beginnen zu
können, wurde im Herbst 1900 der Bau eines Torfwerkes nötig.
Im Februar 1901 war es fertiggestellt, so daß im März des
Jahres mit dem Torfstechen, der Verarbeitung und der Vermarktung [
des Torfes ] begonnen werden konnte.
Im Jahre 1903 war in
Freistatt … in Moorhort … untergebracht … 100
Jugendliche. Moorhof wurde als Knabenbaracke bezeichnet, Moorburg als
geschlossene Station für Zwangszöglinge.
Viele
Erziehungsmethoden und -grundsätze, die schon zu Begin des 20.
Jahrhunderts in Freistatt den Alltag geprägt hatten, blieben bis
weit in die Nachkriegszeit [ des Zweiten Weltkrieges ]
konstant.
Freistatt: Die Erziehungsarbeit an etwa 350
schwererziehbaren schulentlassenen Jungen im Alter von 14 bis 20
Jahren geschieht in fünf geschlossenen Heimen und einem offenen
Heim. Im Vordergrund steht eine straffe Arbeitserziehung. Die Jungen
arbeiten in der Landwirtschaft und in der Torfgewinnung. "Bete
und Arbeite!", bezeichnet unser Erziehungsziel.
Die [
Zwangszöglinge ] von Moorburg arbeiten [ auch bei hohen
Temperaturen ] im Sommer und [ auch bei Eis und Schnee im ] Winter
draußen, und zwar bei der Kultivierung des Bodens, bei der
Ernte und vor allem bei der Torfgewinnung.
Gerade die
Torfarbeit [ im Moor ] ist für die [ Zwangs ]Zöglinge von
Moorburg, da sie ihre Kräfte voll in Anspruch nimmt, besonders
geeignet und wird auch gern verrichtet [ und wenn nicht, helfen wir
mit dem Ochsenziehmer nach ].
Torfarbeiten in den
Niedersächsischen Mooren: Die Beschäftigung der Leute ist
so schwer, so eintönig und so wenig poetisch wie die
Sklavenarbeit der Neger beim Diamantenwaschen in Brasilien.
Von
Anfang an standen so die sich von Jahr zu Jahr ständig
vergrößernde Landwirtschaft und das Moor mit dem Torfwerk
als größte Arbeitsstätte zur Verfügung. Im
Prospekt wurde von einer "Torfstreufabrik und
Preßtorffabrikation" geschrieben, ein Hinweis darauf, wie
professional die Arbeit organisiert und betrieben wurde.
Freistatt
… Torfwerk … selbsttragendes
Wirtschaftsunternehmen.
Die Leute mußten knechten, damit
die Betriebe aufrecht erhalten wurden.
Die unentbehrlichen
Erziehungsbedürftigen … sie bedienten [ seid 1926 ] den
Torfbagger.
… ernste und anstrengende Arbeit … in
der Hauptsache im Moor.
… viele beschäftigungslose
Jugendliche. Dadurch war die Land- und Torfwirtschaft bestens mit [
unentlohnten ] Arbeitskräften versorgt.
Ein Advancement
im eigentlichen Sinne und eine Bezahlung gab es nicht. Die Arbeit
selbst wurde zur Ehre und zum Lohn. … Jahre lang [ arbeiten ],
ohne je einen Pfennig Lohn sein eigen zu nennen.
Und so stark
wußte er [ Friedrich v. Bodelschwingh ] sein Liebeswerk an den
Ärmsten seines Volkes von seinem Glauben und vom Geiste Jesu
durchdrungen, daß er einmal in
heiligem Eifer ausrief:
„Bethel ist [ f i n a n z i e l l ] sicherer als der preußische
Staat!“
In Freistatt gab es weder Epilepsiekranke noch
Ärzte; hier galt u. a., mit entlassenen Strafgefangenen (denen
die Arbeiterkolonie gern als Zufluchtsstätte diente) umzugehen
und Erzieher zu sein für „Zwangserziehungszöglinge“,
die „durch die Landespolizeibehörde gemäß dem
Fürsorgegesetz den Anstalten zur Erziehung überwiesen“
wurden.
Abgelegenheit und Isolierung von der Umgebung war
damals für viele Erziehungsanstalten Konzept.
Jede
Isolierung macht krank, führt ins Elend. Das gilt für
einzelne Gruppen, für Anstalten und Systeme. Davon können
viele traurige Lieder singen.
Das ganze Haus wirkte wie ein
Gefängnis. Alle Türen waren immer verschlossen und alle
Fenster vergittert, [ wie auch im 1962 in Freistatt geöffneten
Haus Neuwerk ].
Zwar hatte es nach 1945 wiederum vereinzelte
Ansätze gegeben, einige der seit vielen Jahrzehnten
praktizierten Strafmaßnahmen abzuschaffen bzw abzumildern, aber
in der Praxis änderte sich nur wenig.
Die Strukturen und
Zielsetzung Freistatts … in den ersten 20 Nachkriegsjahren
nahezu unverändert blieben.
Verwendung von
Züchtigungsmitteln: Forkenstielen, Torflatten, Pantoffeln und
Besenstielen.
Um die Zöglinge zur Arbeit anzuspornen,
wurde zum Beispiel die Gruppe, die im Moor die beste Tagesleistung
erbracht hatte, mit Tabak belohnt. Als Strafe war die Prügelstrafe
bei größeren Verfehlungen der Jugendlichen allgemein
üblich.
Zwangscharakter der Rettungshauspädagogik.
Das Arbeits-, Ausbildungs- und Schulangebot ist ziemlich kümmerlich
(ca 20 Lehrstellen [ im gesamten Freistätter Areal ]).
Zu
einer wirklich tiefgreifenden Reformbewegung in der Jugendhilfe kam
es erst in den 1970er Jahren im Zuge der allgemeinen
Demokratisierung- und Liberalisierungstendenzen, die damals viele
Bereiche der Gesellschaft [ in der Bundesrepublik Deutschland ]
erfaßten und veränderten.
September 1976: Letzte
körperliche Züchtigung im Jugendbereich
aktenkundig.
Freistatt 1970-1990. Das „ist“ die
Freistätter Erziehungsarbeit im Jahre 1970. In vier
Erziehungsheimen (davon zwei geschlossenen … die Fenster sind
vergittert, der Jugendliche wird über Nacht, nur mit Nachthemd
bekleidet und mit Nachtgeschirr in der Hand, in seinen zellenartigen
Schlafraum eingeschlossen) leben 200 männliche Jugendliche im
Alter von 14 bis 21 Jahren. Alle Hausleiter (Hausväter) sind
Diakone … ohne pädagogische Ausbildung; ihre Mitarbeiter,
nur Männer, ebenfalls durchweg pädagogisch unausgebildet …
Regelmäßig durchgeführte
Erziehungsdienstbesprechungen mit pädagogischen Inhalten gibt es
weder im Heim noch im [ gesamten ] Erziehungsbereich Freistatt.
Die
Fürsorgeerziehung der 50er und 60er Jahre … ihr bloßer
Aufbewahrungscharakter (Zeit absitzen) … vorherschende
Disziplinierung (Strafe) und Uniformierung (alle über einen Kamm
scheren), fehlende Konzepte und mangelhafte personelle /
professionelle Ausstattung.
Einweisende
Behörde sind vor allem die Landesjugendämter Hannover und
Münster, aber auch aus fast allen anderen
Bundesländern.
1949 Jubiläum 50 Jahre Freistatt; 63
670 Männer und Jugendliche haben die Einrichtung
durchlaufen.
Anfang der 60er Jahre nach dem Vorbild der
Fürsorgeerziehung in der DDR wird in [ Freistatt ] mit …
Farbmarkierungen gearbeitet rot / blau / braun bei den Zöglingen;
auch mit anderen Farben in anderen Heimen.
Dezember 1982 das
neu errichtete Torfwerk wird in Betrieb genommen.
1983 aus der
"Anstalt Freistatt" werden die "Diakonischen Heime
Freistatt"; 1995 "Diakonie Freistatt".
1995 die
Torfwirtschaft wird aufgegeben und das Torfwerk wird
geschlossen.
Zwar verfügte Freistatt noch über
abbauberechtigte Torfvorräte bis zum Jahre 2030, aber Abtorfung
brachte wirtschaftlich nichts mehr.
Letztlich entscheidend [
zur Aufgebung des Torfabbaues ] war, daß uns die
Landesregierung [ von Niedersachsen ], unter sofortigem Verzicht auf
Torfabbau, mit einer nennenswerten Summe entschädigte.
[
Erstveröffentlichung auf dieser Webseite: 20. August 2003 ] [
Hauptüberschrift vom hiesigen Redakteur hinzugefügt ]
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