Der Betreiber dieser nichtkommerziellen Webseite ist der hoch-engagierte Martin Mitchell in Australien (ein ehemaliges “Heimkind” in kirchlichen Heimen im damaligen West-Deutschland)




WESTFÄLISCHES INSTITUTE FÜR REGIONALGESCHICHTE LANDSCHAFTSVERBAND WESTFALEN-LIPPE
MÜNSTER

FORSCHUNGEN ZUR REGIONALGESCHICHTE
Band 31
Herausgegeben von Karl Teppe

[ Heimerziehung – Zöglinge - Heimkinder ]
Zwischen Disziplinierung und Integration

Das Landesjugendamt als Träger
öffentlicher Jugendhilfe in Westfalen und Lippe (1924 – 1999)


Herausgegeben
von
Markus Köster und Thomas Küster


FERDINANT SCHÖNINGH PADERBORN 1999


1. Öffentliche Erziehung


Markus Köster

Die Fürsorgeerziehung


1. Die Anfänge

Schon seit dem Mittelalter war versucht worden, Kinder, die zwar nicht verwaist waren, aber als verwahrlost galten, zwangsweise durch öffentliche Stellen zu erziehen.1 Der eigentliche Beginn der Rolle des Staates als ‚Stiefvater‘ jedoch fiel – nicht eben zufällig – zusammen mit dem Übergang Deutschlands zu einer urbanen Industriegesellschaft am Ausgang des 19. Jahrhunderts.2 Nicht allein die Jugend wurde zu diesem Zeitpunkt im öffentlichen Bewustsein zu einem ‚Problem‘, sondern die Familien insgesamt, deren Fuktion als primäre Sozialisationsinstanz unter industriegesellschaftlichen Lebensbedingungen mehr und mehr gefährdet schien. Während die Etablierung der Fürsorgeerziehung also einerseits auf die verbreitete Furcht vor einer Zersetzung der traditionellen Fundamente der Gesellschaft durch die Moderne reagierte, war sie andererseits ein Produkt des allgemeinen Fortschrittsoptimismus der Wilhelminischen Zeit, der die Folgekosten von Industrialisierung und Urbaniserung durch ein ‚modernes‘ interventionistisches Sozialmanagement eliminieren zu können glaubte. Damit spiegelte sie schon in ihrer Entstehung in charakteristischer Weise die Ambivalenzen der von Ulrich Beck sogenannten „halbierten Moderne“ des klassischen Industriezeitalters.3

Die juristischen Grundsteine für eine staatliche Ersatzerziehung Minderjähriger wurden in Preußen durch das Zwangserziehungsgesetz von 1878 und das Fürsorgeerziehungsgesetz von 1900 gelegt.4 Während ersteres nur straffällig gewordene Kinder unter zwölf Jahren erfaßt hatte, weitete letzteres die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten erheblich aus. Es hob das Überweisungs-Höchstalter auf 18 Jahre an und bestimmte, daß nun auch ohne Vorliegen einer strafbaren Handlung – also gleichsam prophylaktisch – öffentliche Ersatzerziehung angeordnet werden könne, wenn dies zur „Verhütung des völligen sittlichen Verderbens des Minderjährigen notwendig“5 schien. Von der jugendfürsorgerischen Fachöffentlichkeit – und weit darüber hinaus – wurde das Gesetz geradezu euphorisch begrüßt. Die westfälische Provinzialverwaltung beispielsweise äußerte die Erwartung, daß „die Fürsorgeerziehung Minderjähriger eine der segenreichsten staatlichen Einrichtungen werden wird“.6 Auf diese Weise erhielt das neue Interventionsinstrument im sozialoptimistischen Klima des Kaiserreiches „den Charakter eines wissenschaftlich kontrollierten Gesellschaftsexperiments“.7

Graphik: Minderjährige aus Westfalen in Fürsorgeerziehung und Freiwilliger Erziehungshilfe 1901 – 1991.8








































Fußnoten
____________________________


1
Vgl. Hans Scherpner, Geschichte der Jugendfürsorge, 2. Aufl., Göttingen 1979, und Christian J. Klumker, Zwanserziehung (Fürsorgeerziehung), in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., Bd. 8 Jena 1928, S. 1228 - 1232.

2 Zur Entstehung und Entwicklung der Fürsorgeerziehung vgl. grundlegend Detlev J.K. Peukert, Grenzen der Sozialdisziplinierung. Aufstieg und Fall der deutschen Jugendfürsorge von 1878 bis 1932, Köln 1986; jezt auch Marcus Gräser, Der blockierte Wohlfahrtsstaat. Unterschichtjugend und Jugendfürsorge in der Weimarer Republik, Göttingen 1995, und Sabine Blum-Geenen, Fürsorgeerziehung im Rheinland von 1871 – 1933, Köln 1997.

3 Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986.

4 Gesetz betr. die Unterbringung verwahrloster Kinder vom 13, März 1878 (Preußische Gesetzsammlung 1878, S. 132); Gesetz über die Fürsorgeerziehung vom 2. Juli 1900 (ebd., 1900, S. 264 – 269).

5 Ebd., $ 1,3.

6 Bericht über die Ergebnisse der Provizialverwaltung Westfalen 1901, S. 233.

7 Peukert, S. 143.

8 Datenbasis: Anstaltsfürsorge des Provinzialverbandes in 75 Jahren, Münster 1951, S. 68; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hg.), 10 Jahre Landschaftsverbandsordnung 1953 – 1963. Ein Zahlenspiegel, Münster 1963, S. 39; für 1945: Meldung des LJA vom 25.4.1945 (ALWL, C 10/11 293b); Daten Fakten Trends. 20 Jahre Landschaftsverband Westfalen-Lippe 1953 – 1973, S. 70; Aufstellung des Landesjugendamts vom 1.2.1991 (freundliche Mitteilung des LJA). Für 1917 und 1944 standen keine Daten zur Verfügung.

Dies zeigte sich nicht zuletzt an seiner raschen enormen quantitativen Expansion. Wurden bis 1900 in der Provinz Westfalen jährlich durchschnittlich 500 Minderjährige zwangsweise öffentlich erzogen, so wuchs die Zahl nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes innerhalb von zehn Jahren auf über 5000 an, und auch danach wies die Tendenz steil nach oben. Parallel zu diesem Anstieg wandelte sich die Alterszusammensetzung. Der Anteil der Schulentlassenen, also über 14jährigen unter den neu in Fürsorgeerziehung Überwiesenen erhöhte sich innerhalb weniger Jahre von ursprünglich dreißig auf mehr als fünfzig Prozent. Damit aber erfüllte Fürsorgeerziehung nicht mehr primär die Funktion eines vorbeugenden Erziehungsinstruments, sondern erschien – jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung – vor allem als Disziplinierungsmaßnahme gegen unangepaßte ältere Jugendliche. Diese Entwicklung spiegelte symtomatisch ein Dilemma, mit dem sich die staatliche Ersatzerziehung durch ihre ganze Geschichte hindurch konfrontiert sah: Sie sollte einerseits rechtzeitig eingreifen, wo die Erziehung eines Kindes gefährdet schien, sie hatte andererseits den Primat des Elternrechts zu wahren und das Staatssäckel nicht übermäßig zu belasten. Mithin sollte sie zugleich Präventivmaßnahme wie ‚ultima ratio‘ sein. Vergeblich versuchte die Fachwelt, dieses Dilemma mit immer neuen juristischen und sozialpädagogischen Kurskorrekturen aufzulösen.

2. Die Diagnose der ‚Verwahrlosung‘

Das Sozialprofil der Klientel der westfälischen Fürsoregeerziehung blieb bis in die bundesrepublikanische Zeit hinein erstaunlich konstant. Vor allem ältere Jugendliche beiderlei Geschlechts aus dem großstädtischen Unterschichtenmilieu wurden von ihr erfaßt. Dieser Befund lag gleichsam in der inneren Logik der Fürsorgeerziehung begründet, war sie doch zutiefst ein Kind bürgerlicher Ordnungsvorstellungen. Ihre Vertreter – selbst solche, die sich der Sozialdemokratie verbunden fühlten – maßen die Lebensverhältnisse ihrer Klientel weitgehend mit der Elle bürgerlicher Wertmaßstäbe. In ihren Diagnosen und in ihrem Handeln verquickten sich fürsorgerischer Helferwille und das Bedürfnis nach Disziplinierung der ‚Unordnung‘, mit welcher sie sich in den Biographien der Minderjährigen konfrontiert sahen. In ideengeschichtlicher Perspektive bildete die Fürsorgeerziehung mithin einen Mosaikstein jenes umfassenden Prozesses gesellschaftlicher Rationalisierung, dessen charakteristische Ambivalenz zwischen Fürsorge und Kontrolle sich hier besonders markant offenbarte. Anders gesagt: Auch das System der geschlossenen Jugendfürsorge orientierte sich an jenen aufklärerischen Normen, deren mühsame gesellschaftliche Durchsetzung Norbert Elias in seinen Reflexionen „über den Prozess der Zivilisation“9 so anschaulich beschrieben hat: Pazifizierung der zwischenmenschlichen Beziehungen, Unterscheidung von ‚Mein‘ und ‚Dein‘, ‚Dämpfung der Triebe‘, Affektkontrolle, Durchsetzung von ‚Scham und Peinlichkeit‘, rationales und langfristiges Planungsverhalten sowie ganz besonders die Hochschätzung der Arbeit. Unter solchen Parametern mußten primär die Lebensbedingungen des urbanen Proletariats als Nährboden dissozialen Verhaltens erscheinen und so ins Visier der Jugenfürsorge geraten.

Was die konkreten Einweisungsgründe in der Fürsorgeerziehung betrifft, so lassen die in den Akten der westfälischen Fürsorgeerziehungsbehörde zahlreich überlieferten vormundschaftsgerichtlichen Anordnungsbeschlüsse10 erkennen, daß es eine relativ beschränkte Zahl von Verwahrlosungsmerkmalen gab, die von den Richtern immer wieder angeführt und miteinander kombiniert wurden. Dazu zählten neben elterlicher Vernachlässigung oder Misshandlung vor allem Charakterzuschreibungen wie „Unehrlichkeit“, „kriminelle Neigungen“, „Aufsässigkeit“, „Gewalttätigkeit“, „Unsauberkeit“, „Vergnügungs- und Geltungssucht“, „sexuelle Triebhaftigkeit“, „Herumtreiben“, schlechte Schulleistungen und „Arbeitsbummelei“.

Eindeutig war auch die geschlechtsspezifische Differenzierung der Verwahrlosungsindikationen: Während männliche Minderjährige überproportional häufig aufgrund von Eigentumsdelikten ins Visier der Jugendfürsorge gerieten, standen bei Mädchen über den gesamten Zeitraum hinweg sexuelle Auffälligkeiten an erster Stelle.11 Ein weiterer augenfälliger Befund der Statistik ist der Anstieg bestimmter Verwahrlosungsindikatoren im ‚Dritten Reich‘. Dazu gehörten vor allem das der ‚sexuellen Verwahrlosung‘ bei Mädchen und noch stärker der ‚Arbeitsscheu‘ bei Jungen.12

Anfang der fünfziger Jahre entstanden bei dem münsterischen Sozialpädagogen Friedrich Siegmund-Schultze zwei Dissertationen, die sich mit dem „Lebenserfolg“ ehemaliger westfälischer Fürsorgezöglinge beschäftigten, die 1943 bzw. 1946 aus der Heimerziehung entlassen worden waren.13 Ihre anhand der Fallakten zusammengetragenen Angaben über die Einweisungsgründe der Minderjährigen bestätigen die oben beschriebene Koppelung mehrerer und Häufung geschlechtsspezifischer Verwahrlosungszuschreibungen. So ermittelte Otti Düchting, daß 79,2 Prozent der von ihr untersuchten 230 Mädchen von den Überweisungsbehörden als „sexuell verwahrlost“, 54,8 Prozent als „diebisch“, 34,4 Prozent als „verlogen“ und 28,7 Prozent als „arbeitsscheu“ bezeichnet worden waren.14 Hans Bönsch kam in einer analogen Studie über männliche Zöglinge zu dem Ergebnis, daß knapp die Hälfte seiner 600 Probanden wegen „verschiedener Erscheinungsformen von Verwahrlosung“ überwiesen worden war, jeweils ein knappes Viertel wegen „Diebstahls“ bzw. „Arbeitsbummelei“ und der Rest wegen „Umhertreibens oder Schulschwänzens“.15

Die Studien von Bönsch und Düchting belegen ebenso wie die überlieferten Einweisungsbeschlüsse, daß sich der „kontrollierende Blick“16 der Öffentlichkeit auf die ‚gefährdete Jugend‘ weder durch die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 noch durch den politischen Systemwechsel des Jahres 1945 gravierend veränderte. Norm blieb auch in den Nachkriegsjahren, was realiter in der Trümmerzeit nicht ‚normal‘ war. Dementsprechend änderten sich auch die wahrgenommenen Abweichungen nicht oder kaum: Diebstahl, ‚Arbeitsscheu‘ sowie – vor allem bei Mädchen – sexuelle Devianzen blieben ungebrochen die entscheidenden Gradmesser von ‚Verwahrlosung‘. Hauptgrund dafür war, daß die genannten Verhaltensweisen im Urteil der Öffentlichkeit gegen eine nach wie vor gültige Kernprämisse der Gesellschaft verstießen: eine um Arbeit, Eigentum und Familie zentrierte Lebensführung. Dies bedeutet zugleich, daß sich die Fachvertreter der Jugendführsorge – so rückständig ihre Vorstellungen aus heutiger Sicht zum Teil erscheinen mögen – in hohem Maße im Konsens mit dem ‚Zeitgeist‘ befanden. Als Repräsentanten eines ungeliebten wohlfahrtsfürsorgerischen Ausfallbürgen versuchten sie exakt das umzusetzen, was auf diesem schwierigen Terrain zumindest das Gros der Öffentlichkeit bis in die sechziger Jahre hinein von ihnen erwartete: die Aufrechterhaltung jener tradierten sozialmoralischen Leitnormen, denen die industriegesellschaftliche Zivilation ihr Funktionieren verdankt.

3. Der Alltag der Fürsorgeerziehung

Als ähnlich beständig wie die Kritien, nach denen Kinder und Jugendliche als ‚verwahrlost‘ gestempelt wurden, erwiesen sich auch die Ideale und Mechanismen des Alltags der Heimerziehung: Leitmotiv blieb über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg der Gedanke der Anpassungsbedürftigkeit an vorgegebene Normen, zentrale Charakteristika waren ein um die ‚Erziehung zur Arbeit‘ zentrierter, starr reglementierter und kollektivistischer Tagesablauf sowie ein ausgeklügeltes System von Strafe und Belohnung. So unterlagen Briefe von Angehörigen der Zensur; geistige ‚Bildung‘ erschöpfte sich nicht selten in religiösen Belehrungen oder dem täglichen Auswendiglernen einer Liedstrophe, beim Essen hatte Schweigen zu herrschen, die Schlafsäle wurden streng überwacht, das Rauchen galt – jedenfalls bei Mädchen – ebenso als moralisch verwerflich wie der Austausch von Zärtlichkeiten.

Das wesentliche Charakteristikum der traditionellen Anstaltspädagogik war die „Matrix der Regelmäßifkeit“, die den Tagesablauf bestimmte.17Der reformorientierte Pädagoge Egon Behnke faßte 1932 den spezifischen Geist dieser Erziehung ebenso prägnant wie einfühlsam zusammen:

„Jedem Kenner von Anstalten alter Richtung fallen ihre sehr feste Tradition, die streng geregelte Tageseinteilung, das starke Gefüge der Hausordnung und der Hausgesetze auf. Nicht zufällig kommt dort der Zögling in einen festgespannten Rahmen von Pflichten, die klar, eindeutig übersichtlich, auch für den Neuling leicht verständlich sind. Schon nach den ersten Tagen sind Form und Inhalt der kommenden Tage, Wochen, ja Monate leidlich voraussehbar. Das Drückende sowohl wie der Reiz der Neuheit schwinden bald; Eintönigkeit des Lebens, verhältnismäßig wenig unterbrochen, führt zu rascher ‚Gewöhnung‘. Von ihr verspricht sich die A[nstalts] E[rziehung] … ein Mehrfaches. Mit ihr und in ihr versinken sollen die bewegte, bunte und nicht immer erfreuliche Vergangenheit und alle ihre lockenden, glänzenden, irrlichternden Erinnerungen. Aus der Gewöhnung an das gleichmäßige, ruhig dahingleitende Anstaltsleben sollen Kraft und Wille gewonnen werden, das oft übersteigert gewesene Triebleben zurückzuweisen in die ihm durch Natur und Ethik gezogenen Schranken. Während der Gewöhnung und durch sie sollen im Wesen des Menschen Fuß fassen die in der Anstalt geübten und gelehrten Tugenden: Sauberkeit, Ordnung, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, aber auch Fleiß, Wahrheitsliebe …, gesundes Schamgefühl, Ehrgefühl usw., und sollen ihm dadurch bindende Norm für sein ganzes zukünftiges Leben werde.“18


Arbeitssaal des Ev. Magdalenenheims in Dortmund (aus: Paul Seiffert, Deutsche Fürsorge-Erziehungs-Anstalten in Wort und Bild, Bd. 1, Halle 1912)

In der öffentlichen Wahrnehmung wurde Fürsorgeerziehung weithin mit Heimunterbringung gleichgesetzt. De facto aber bildete die Anstalt für die meisten Jugendlichen nur eine mehr oder minder lange Durchgangsstation auf dem Weg in eine private Pflegestelle. In Westfalen wie in ganz Preußen war – mit gewissen Schwankungen – jeweils rund die Hälfte aller Fürsorgezöglinge in Familien, Dienst- oder Lehrstellen untergebracht. Vor allem jüngere Kinder gelangten, zumal wenn sie aufgrund ungünstiger familiärer Verhältnisse der Fürsorgeerziehung überwiesen worden waren, oft schon nach wenigen Wochen in Pflegefamilien. Ältere Jugendliche hingegen blieben meist wesentlich länger in den Anstalten. Überwacht wurden die Pflegestellen sowohl durch örtliche Fürsorgerinnen der caritativen Vereine als auch durch regelmäßige Revisionen der Fürsorgeerziehungsbehörde. Die von beiden Instanzen verfaßten Inspektionsberichte neigten im allgemeinen zur ‚Weichzeichnung‘ der Verhältnisse in diesen Stellen: Typisch waren lapidare Bemerkungen wie „alles in Ordnung“, „hat sich sehr gut eingelebt“, „läßt sich bisher leiten und ist zufrieden“, „ist wie ein Kind im Hause“.19 Relativiert wird die Aussagekraft solcher Urteile durch das Faktum, daß viele Jugendliche bereits nach wenigen Wochen aus ihren Pflegestellen entliefen – um dann meist mit Hilfe ihrer Heimat-Jugenämter wieder ‚aufgegriffen‘ und in das zuständige Erziehungsheim zurückgebracht zu werden. Insgesamt waren die Beziehungen zwischen Pflegeeltern und Pfleglingen so facettenreich wie die normalen Familien auch. Sie reichten von der wirklichen ‚Ersatzfamilie‘ bis hin zur kaum verdeckten Ausbeutung. Über die Motive der meisten Pflegeeltern gab sich die Fürsorgeerziehungsbehörde keinen Illusionen hin. Nüchtern bemerkte sie 1924, „daß die Familien im allgemeinen nur geneigt sind, körperlich gesunde Kinder, die sich schon durch kleine Handreichungen nützlich machen können, die ihnen jedenfalls durch außerordentliche Pflege keine besondere Last machen dürfen, bei sich aufzunehmen.“20 Eine „Wegnahme aus der Stelle“ aber fand schon angesichts des Mangels an Pflegefamilien nur dann statt, wenn ein ganz offensichtlicher Mißbrauch des Kindes vorlag.

Daß nicht selten auch das Verhalten des Zöglings den Anlaß zur Auflösung des Pflegevertrages gab, kann kaum verwundern: Für manchen der – mehr oder minder erziehungsschwierigen – Jugendlichen war die Verpflanzung in eine gänzlich andere, fast immer ländliche Umgebung fern ab der gewohnten Lebenswelt kaum zu ertragen. Diese Unterbringung auf dem Lande entsprach exakt dem zivilisationskritischen Entstehungsimpuls der kaiserzeitlichen ‚Jugendfürsorge‘. Deren geradezu dualistisches Gesellschaftsbild stilisierte die industrielle Großstadt zum Synonym für ‚Verwahrlosung‘ und ‚Verfall‘ und setzte ihr das Ideal einer ‚ursprünglichen‘, ‚gesunden‘, ‚geordneten‘ ländlichen Lebenswelt entgegen. Eine solche an antimodernen sozialen Idealen orientierte Pädagogik aber übersah „geflissentlich …, daß sich die Erziehung der Zöglinge schließlich unter den Bedingungen der industriellen Lebenswelt zu bewähren hatte.“21

4. Zwischen Modernisierung und Regression

Doch so unbeirrbar vormodern sich die geschlossene Jugendfürsorge einerseits gebärdete, so sensibel spiegelte ihre Entwicklung zugleich die Wechselfälle der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Dies zeigte sich schon in ihren kaiserzeitlichen Methodendiskussionen, die emsig die Fortschritte der Wissenschaft in Medizin, Psychiatrie und Pädagogik rezipierten. Das Mangel- und Inflationsjahrzehnt zwischen 1914 und 1924 hingegen warf die geschlossene Jugendfürsorge in Methoden und Standards erheblich zurück. Erst die relative Stabilisierungsphase der Weimarer Republik setzte sie wieder unter Reformdruck. Dieser manifestierte sich primär in einer weiteren Verfeinerung der schon vor 1914 begonnen Differenzierung der Anstaltserziehung unter psychiatrischen und pädagogischen Vorzeichen, die sich unter dem Einfluss einer breiten sozialpädagogischen Modernisierungsdiskussion vollzog. Auf der anderen Seite sah sich die Fürsorgeerziehung in den zwanziger Jahren einem unverkennbaren Marginalisierungsprozeß ausgesetzt. War sie bei ihrer Einführung noch fast so etwas wie eine ‚Allzweckwaffe‘ der Jugendführsorge gewesen, so wurde ihr durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922/24 bzw. den dadurch forcierten Ausbau jugendfürsorgerischer Infrastruktur nach und nach ein ganzes Tableau weniger repressiver Instrumentarien, von der Schutzaufsicht bis zur Erziehungsberatung, an die Seite gestellt.22 Die Folge war ein kontinuierlicher Rückgang der Einweisungen vor allem jüngerer Minderjähriger in öffentliche Erziehung, was wiederum zu einer wachsenden Überalterung des ‚Zöglingsbestands‘ führte. Parallel dazu geriet die Fürsorgeerziehung seit Mitte der zwanziger Jahre auch durch eine Kette von Anstaltsrevolten und -skandalen publizistisch und politisch unter Druck.23 Je mehr sich das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik insgesamt liberalisierte, um so mehr erschien offenkundig wachsenden Teilen der deutschen Öffentlichkeit die zwangsweise Anstaltsunterbringung Jugendlicher als ein archaisches Diziplinierungsrelikt aus obrikeitsstaatlicher Vorzeit.

Schon am Ausgang der zwanziger Jahre befand sich die geschlossene Jugendfürsorge damit in einer tiefen Krise. Mit der katastrophalen wirtschaftlichen Depression, die 1930 über den Weimarer Wohlfahrtsstaat hereinbrach, verschärfte sich diese Krise naturgemäß erheblich. Erneut und besonders drastisch zeigte sich jezt die generelle Abhängigkeit der Jugendhilfe von den Konjunkturzyklen der Volkswirtschaft. Der allgemeine Sparzwang löste in der Fachwelt einen promten Rückfall in antiindustrielle und repressive Erziehungskonzepte aus und machte zugleich radikale Aussonderungsstrategien gegenüber den sogenannten ‚Unerziehbaren‘ mehrheitsfähig. Westfalens Fürsorgeerziehungsdezernent Schulze-Steinen z.B. regte gegenüber seinen preußischen Amtskollegen schon im September 1930 an, „die Unerziehbaren unter Anwendung geringster Kosten und unter Verzicht auf teure Erziehungsmaßnahmen“ in Arbeitshäusern oder „Verwahrungsabteilungen“ unterzubringen.24

Der Beginn des ‚Dritten Reiches‘ schien für die Fürsorgeerziehung zunächst keine wirkliche Zäsur zu makieren. Nationalistische Ideologieelimente boten den meisten Experten nur zusätzliche Argumentationshilfen, um ihre im Kern bereits zwischen 1929 und 1933 wiederentdeckten autoritären Erziehungsvorstellungen ‚zeitgemäß‘ zu untermauern. Solchen Kontinuitäten standen freilich gravierende Diskontinitäten gegenüber, die auf das grundlegend andere nationasozialistische Verständnis von ‚Volkswohlfahrt‘ verweisen. Das Maß aller NS-Sozialpolitik nämlich war der ‚gesunde Volkskörper‘. Nicht das Wohl des Einzelnen zählte, sondern einzig die rassenbiologisch definierte Stärkung der ‚Volksgemeinschaft‘. Dieser Paradigmenwechsel prägte auch die nationalsozialistischen Vorstellungen von Jugendhilfe. Nicht mehr das einzelne Kind hatte ein Recht auf Erziehung, sondern die Volksgemeinschaft einen Verfügungsanspruch auf den Nachwuchs, dessen Wert sich an biologistischen Kriterien von ‚gesund‘ und ‚krank‘, ‚rassisch hochstehend‘ und ‚rassisch minderwertig‘ maß. Diesem „rigiden dichothomischen Schema“25 entsprechend geriet die geschlossene Jugendfürsorge von Beginn an unter das Verdikt der ‚Minderwertigenfürsorge‘. Am krassesten offenbarte sich das in dem Einbruch der Rassenhygiene in die Fürsorgeerziehung. Im Zuge des Sterilisierungsgesetzes von 1933 wurden in Westfalen allein bis Anfang 1941 über 450 Fürsorgezöglinge zur Unfruchtbarmachung verurteilt. Eine Reihe weiterer Jugendlicher wurde als ‚unerziehbar‘ bzw., ‚gemeinschaftsunfähig‘ entweder in neuerrichteten, äußerst primitiven ,Bewahrungsabteilungen‘ in der Provinz Westfalen selbst eingesperrt oder aber in die 1940 bzw 1942 geschaffenen polizeilich geführten, KZ-ähnlichen „Jugendschutzlager“ Moringen bei Göttingen und Uckermarck in Mecklenburg abgeschoben.26

Die so vollzogene Ausgrenzung ‚erbkranker‘, ‚gemeinschaftsunfähiger‘ und ‚nichtarischer‘ Elemente vollzog im wesentlichen Entwicklungen nach und mit, die auf anderen Feldern, vor allem der Psychiatrie, vorexerziert wurden.27 Gleichzeitig knüfte die Jugendfürsorge der NS-Zeit in der Behandlung der von jeher als Belastung empfundenen Klientel der Schwererziehbaren und Verhaltensauffälligen an die in der Krise des Weimarer Wohlfahrtsstaates geformten Wertigkeits- und Aussonderungsvorstellungen an, überformte sie aber rassenhygenisch. Begünstigt wurde diese Verformung durch das Bemühen etablierter Fachleute, ihr sparsamkeits- und effizienzorieniertes Rationalisierungsdenken mit den biologischen Axiomen des NS zu harmonisieren.

Trotz solcher Anpassungsbemühungen und Affinitäten waren freilich die Inkongruenzen zwischen beiden Ansätzen auf Dauer unübersehbar. Mit seinem offenen Vernichtungswillen markierte das Vorgehen der Nationalsozialisten nicht nur eine kategoriale Differenz zu den – bei aller sozialdisziplinierenden Zielrichtung doch immer auf eine ‚Normalisierung‘ der Betroffenen ziehlenden – Ursprungsideen der Jugendfürsorge, sondern unterschied sich auch fundamental von den extremen Sparkonzepten der Weltwirtschaftskrise. Unter den sozialbiologischen und rassistischen Paradigmen des Hitler-Regimes sollten als ‚unwert‘ betrachtete Jugendliche nicht mehr nur ‚ausgesondert‘ bzw. ‚bewahrt‘, sondern letztlich ‚ausgemerzt‘ werden. Deutlicher als jeder andere Bereich der Jugendhilfe dokumentierte daher der Umgang mit ihrer klassischen Problemgruppe, daß der Nationalsozialismus zwar an Kontinuitäten – in diesem Fall den Aussonderungsdiskurs der Weimarer Krisenjahre – anknüfte, aber in seiner Radikalität zugleich aus diesen hinauswuchs und einen „qualitativen Bruch“ mit der Vergangenheit vollzog.28 Die nationalsozialistische Sozialpolitik ist damit, jedenfalls was den Umgang mit ihren ‚Stiefkindern‘ in der Jugendfürsorge anbetrifft, „nur als wohlfahrtsstaatliche Regression angemessen zu begreifen“.29

5. Führsorgeerziehung nach 1945

Mit dem Untergang des ‚Dritten Reiches‘ verschwand zwar der rassenhygienische Rahmen, der 1933 um die Jugendfürsorge gelegt worden war; ihr sozialmoralischer Normenkanon und ihre sozialdisciplinierenden Intentionen aber veränderten sich – wie gesagt – kaum. Und auch die paternalistischen-repressiven Methoden der Fürsorgeerziehung blieben durch den erneuten politischen Systemwechsel zunächst fast unberührt. Speziell britische Beobachter vermerkten gravierende pädagogische Defizite. Eine Sachverständigenkommission, die Ende 1947 im Auftrage des englischen Innenministeriums mehr als siebzig deutsche Jugendfürsorgeeinrichtungen besichtigten, kritisierte anschließend speziell die Verhältnisse in der Provinz Westfalen in aller Deutlichkeit:

„Unser genereller Eindruck von den Heimen in Deutschland ist, daß es diesen nicht gelingt, die fundamentalen Bedürfnisse der Kinder zu verstehen, und dies war insgesamt besonders in Westfalen der Fall, wo auf allen Ebenen ein auffälliger Mangel an Ideenreichtum in der Behandlung schwieriger Kinder besteht. … In der Praxis ist klar, daß ein oder zwei Hauptprinzipien im Betrieb aller Heime akzeptiert werden: a) daß Kinder beständig überwacht werden müssen, b) daß ein Kind nicht fähig ist irgendeine Wahl von irgendwelcher Bedeutung ohne Anleitung zu treffen, c) daß die Einheit im Heim immer die Gruppe und nicht das Individuum ist, d) daß die Hauptarbeit des Heimes darin besteht, dem Kind das beizubringen, was ihm fehlt und nicht darin, seine bestehenden Fähigkeiten weiter zu entwickeln.

Wir hätten uns damit begnügen können, die Bedingungen in den Heimen auf Unterschiede in nationalen Wesenszügen oder Anschauungsdifferenzen zurückzuführen, wenn es nicht so wäre, daß wir in einem auffallenden Ausmaß in Westfalen ständig genau jene praktischen Probleme angetroffen hätten, wie sie in den englischen Besserungsanstalten und Gewerbeschulen vor 25 oder 30 Jahren zu finden waren. Wir fanden die gleichen Tendenzen, Kinder als billige Arbeitskräfte zu gebrauchen, den gleichen Mangel an Phantasie in der Freizeitplanung, den gleichen bärbeißigen Gehorsam älterer Jungen und Mädchen, die gleichen Strafen (wie das Scheren der Köpfe und Einzelhaft), das gleiche Mißverhältnis zwischen Landarbeit und anderen Beschäftigungen, das gleiche unterbezahlte und sozial unterprivilegierte Personal, das gleiche Fehlen kommunaler Überwachung und kommunalen Intresses, den gleichen Mangel an Inspiration und Ermutigung von höherer Stelle.“30

Mochte das harsche Urteil der Briten auch durch mangelnde Vertrautheit mit den deutschen Wohlfahrtstraditionen oder gar unterschwellige antideutsche Ressentiments gefärbt sein – im Kern war seine Berechtigung kaum zu bestreiten. Die deutsche Führsorgeerziehung litt unverkennbar unter einem Modernisierungsdefizit, das zum Teil auf den materiellen Mangellagen der Trümmerzeit, aber mindestens ebenso sehr auf der starren Traditionsverhaftung ihrer Fachvertreter beruhte: „Die materielle Substanz der Anstalten war zerstört, doch die Substanz traditioneller Erziehungsvorstellungen war geblieben.“31 Wie zu ‚Kaisers Zeiten‘ wurde die Pädagogik der Anstalten wesentlich von den alten preußischen Polizeitugenden Ordnung, Fleiß und Sauberkeit bestimmt. Und auch die ‚Erziehungsinstrumente‘ erschienen in hohem Maße „archaisch“.32Die Kahlrasur des Kopfes blieb – jedenfalls in Westfalen – nach 1945 zunächst ebenso Teil des Strafkatalogs wie Isolationsarrest und Prügelstrafe.

Selbst in den fünfziger und frühen sechziger Jahren war der Heimalltag – das offenbaren sowohl die Einzelfallakten als auch die einschlägige Fachliteratur – noch in hohem Maße repressiv: aufgebaut auf ein ausgeklügeltes System von Belohnung und Strafe, gegliedert in einen starr reglementierten kollektivistischen Tagesablauf und orientiert an Erziehungsnormen, die den Einzelnen nicht an dem maßen, was er konnte, sondern daran, was er nicht konnte.33Mit derartigen Methoden fiel die Fürsorgeerziehung der Nachkriegszeit zum Teil erheblich hinter den sozialpädagogischen Erkenntnisstand der Weimarer Republik zurück.


Jugendliche bei der Arbeit in einem industriellen Fertigungsbetrieb (aus: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Tätigkeitsbericht 1956 – 1960, Münster 1960)

Immerhin stieg mit der wirtschaftlichen Konsolidierung des bundesrepublikanischen Sozialstaats seit Beginn der fünfziger Jahre der Reformdruck auch auf die Fürsorgeerziehung stetig an.34 Bemerkenswert rasch griff dabei – ungeachtet seiner konservativen Grundausrichtung – nicht zuletzt das westfälische Landesjugendamt die Anstöße der wiedererwachenden sozialpädagogischen Fachdiskussionen zur Differenzierung, Professionalisierung und Liberalisierung der Heimerziehung auf und gab sie an die von ihm belegten konfessionellen Einrichtungen weiter. Das galt für die Forderung nach der Schaffung familienähnlicher Kleingruppen ebenso wie für die nach einer sozialpädagogischen Qualifizierung des Erzieherstabs und einer Verbesserung des Freizeitangebots. Die Chronik des Martinistifts Appelhülsen vermerkte dazu 1955 lakonisch: „Die Behörde drängt darauf, möglichst kleine Gruppen einzurichten. … ‚Mit uns zieht die neue Zeit!‘ Wir müssen mitgehen. Und so ziehen unsere Jungen für eine Woche gruppenweise zum Zelten ins Sauerland und an den Niederrhein. Die Behörde wünscht es.“35

Besonders beachtenswert war die Propagierung psychotherapeutischer Methoden in der Heimerziehung durch das Landesjugendamt und seiner Leiterin Ellen Scheuner. Die Landrätin folgte damit exakt dem Generaltrend bundesrepublikanischer Sozialpädagogik, die – in Adaption angloamerikanischer Einflüsse – seit Beginn der fünfziger Jahre einhellig die Psychologie zu ihrer neuen Leitdisziplin erkor.36 Das damit verbundene Bestreben, speziell den individuell-psychischen Ursachen jugendlicher ‚Verwahrlosung‘ stärker Rechnung zu tragen, bildete auch das zentrale Motiv für den Aufbau der Westfälischen Klinik für Jugendpsychiatrie, die – maßgeblich auf Initiative von Ellen Scheuner hin – Ende 1951 im Johannesstift Marßberg entstand. Die seit 1952 in Güterloh, seit 1965 dann in Hamm angesiedelte Einrichtung erhielt die Aufgabe, „schwererziehbare Kinder und Jugendliche, bei denen geistige oder seelische Regelschwierigkeiten auftreten“, während eines rund sechswöchigen stationären Aufenthalts zu beobachten und anschließend Vorschläge für ihre angemessene Weiterbehandlung zu machen.37 Gerade die Geschichte dieses progressiven Modellprojektes offenbart freilich auch die dunklen Kontinuitäten jugendfürsorgerischer bzw. –psychiatrischer ‚Modernisierung‘. Denn zur Leiterin der neugeschaffenen Einrichtung berief die Provizialverwaltung mit der Psychiaterin Elisabeth Hecker ausgerechnet eine Frau, die zwischen 1941 und 1945 als leitende Mitarbeiterin der sogenannten ‚Kinderfachabteilung‘ der oberschlesischen Provinzialheilanstalt Lublinitz/Loben tief in die ‚Kindereuthanasie‘ des ‚Dritten Reiches‘ verstrickt gewesen war.38

Eine andere von Ellen Scheuner bereits 1950 benannte „Lücke“ in der westfälischen Heimerziehung 39 schloß der Landschaftsverband erst 1965 mit der Eröffnung des in Eigenregie betriebene Landeserziehungsheim Dorsten.40 Zur Begründung für den gewählten Standort „am Rande des Industriegebietes“ hieß es, durch diese Lage solle den erziehungsschwierigen Jungen eine Ausbildung „in der eisenschaffenden und –verarbeitenden Industrie“ ermöglicht werden.41 Damit machte die Behörde sich endlich an die Realisierung jener Forderungen nach Anpassung der Fürsorgeerziehung an die Bedürfnisse eines industriell geprägten Arbeitmarktes, wie sie reformorientierte Sozialpädagogen schon mehr als dreißig Jahre zuvor erstmal erhoben hatten. Die skizzierte Umorientierung reagierte vor allem auf die immer deutlicher zutage tretenden Unzuträglichkeiten zwischen der nach wie vor weitgehend agrarisch ausgerichteten Fürsorgeerziehung einerseits und den städtisch-industriell geprägten Lebenswelten der meisten betroffenen Jugendlichen andererseits. Das eigentliche Modernisierungsdefizit der deutschen Jugendfürsorge konnte allerdings auch deren verstärkte industrieweltliche Öffnung seit Beginn der sechziger jahre nicht beseitigen. Es bestand darin, daß nach 1945 überhaupt noch in großem und – wenn man die Fürsorgeerziehung und die in Westfalen erst 1944 eingeführte Freiwillige Erziehungshilfe42 zusammennahm – bis 1956 sogar steigendem Umfang auf das interventionistische Instrument der Anstaltsunterbringung zurückgegriffen wurde.43

Den endgültigen Richtungswechsel von der Intervention zur Prävention, von stationären Zwangsmaßnahmen zu offenen, freiwilligen und lebensweltnahen Angeboten und – grundlegend – vom Primat einer Stabilisierung gesellschaftlicher Ordnung zur anwaltschaftlichen Hilfe für das Individuum in der Jugendhilfe leitete allerdings erst das Reformklima der ausgehenden sechziger Jahre ein, das durch seine aggressiven ‚Heimkampagnen‘ die öffentliche Ersatzerziehung erheblich unter Druck setzte.44 Dies schlug sich vor allem in einem starken Rückgang der Überweisungszahlen nieder. Von 1965 bis 1975 sank die Zahl der Fürsorgezöglinge in Westfalen von über 4.000 auf 900 ab. Das westfälisch-lippische Landesjugendamt bemerkte dazu 1973 in seinem Tätigkeitsbereich unverhohlen kritisch: „Die Ursachen für das Absinken sind vielgestaltig. Die Hauptursachen dürften die gewandelten Bewertungsmaßstäbe der Gesellschaft und die systematisch betriebene Diskreditierung der Erziehungsheime sein, die nur zu oft zur Folge hat, daß zum Schaden des jungen Menschen bis zum Eingreifen länger gewartet wird.“45 Zwei Jahre später hieß es dann:

„Die Kritik an der Heimerziehung verunsicherte die Erzieher, beschleunigte jedoch auch die seit langem laufenden Reformen: Begünstigt durch den … zahlenmäßigen Rückgang sind die Gruppengrößen in den Heimen auf höchstens 12 Plätze herabgesetzt, im besonderen Falle, z.B. bei heilpädagogisch arbeitenden Heimen, gehen sie bis auf 9 Plätze herunter. Die Besetzung mit Fachkräften konnte verstärkt, die Zahl der Erzieher pro Gruppe auf 3 - 4 Kräfte erhöht werden. Verbesserte Aus- und Fortbildungsangebote kamen hinzu. Dadurch wurde die Entwicklung zum partnerschaftlichen Erziehungsstil erleichtert. Die eingehenden Bemühungen der beteiligten öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe stärkten das Bewustsein der gemeinsamen Verantwortung für die Beseitigung von Mißständen und die Entwicklung neuer Hilfenormen … Um den gefährdeten Kindern und Jugendlichen rechtzeitig adäquäte Hilfe vermitteln zu können, ist es notwendig, die Früherfassung, die Möglichkeiten der Diagnose und letzlich auch ambulante Formen von Beratung und Therapie weiter auszubauen.“46

Mit dem Kinder und Jugendhilfegesetz von 1990 verschwand das inzwischen fast zur Bedeutungslosigkeit geschrumpfte Instrumentarium der Fürsorgeerziehung – genau wie die Freiwillige Erziehungshilfe – dann offiziell aus dem Maßnahmekatalog der öffentlichen Jugendhilfe. Das Gesetz hob FE und FEH auf und übertrug die Zuständigkeit für Erziehungshilfen jeder Form auf die örtlichen Jugendämter.47 Ein neunzig Jahre zuvor mit enormen öffentlichen Erwartungen initiertes Gesellschaftsexperiement fand so ein unspektakuläres Ende.






































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9 Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilation. Soziogenische und psychogenische Untersuchungen, 2 Bde., 2. Aufl., Bern/München 1969.

10 ALWL, C 50 I-IX.

11 Vgl. für die Weimarer Zeit Gräser, S. 92; für die NS-Zeit Carola Kuhlmann, Erbkrank oder erziehbar? Jugendhilfe als Vorsorge und Aussonderung in der Fürsorgeerziehung in Westfalen von 1933 – 1945, Weinheim/München 1989, S. 95 – 99, und Rudolf Kraus, Die Führsorgeerziehung im Dritten Reich (1933 – 1945), in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 5 (1974), S. 161 – 210; für die Nachkriegszeit Helmut Naunin (Bearb.), Landschaftliche Selbstverwaltung. Wiederaufbau in Westfalen 1945 - 1951, Dortmund 1952, S. 160.

12 Vgl. Alfons Kenkmann, Jugendliche „Arbeitsbummelanten“ und die Akteure der sozialen Kontrolle gegen Ende des „Dritten Reiches“ und während der Besatzungszeit, in: Burkhard Dietz/Ute Lange/Manfred Wahle (Hg.), Jugend zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Historische Jugendforschung zum rechtsrheinischen Industriegebiet im 19. und 20. Jahrhundert, Bochum 1996, S. 273 – 288.

13 Otti Düchting, Der Lebenserfolg ehemaliger schulentlassener weiblicher Fürsorgezöglinge, Phil. Diss. Münster 1952; Hans Bönsch, Der Lebenserfolg der Fürsorgeerziehung bei männlichen Fürsorgezöglingen, Phil. Diss. Münster 1953; vgl. auch Friedrich Siegmund-Schultze, Neue Untersuchungen über den Erfolg der Fürsorgeerziehung, in: Soziale Welt 5 (1954), S. 241 – 249.

14 Düchting, S. 110. Da sich in der Addition eine Prozentsumme von fast 200 ergibt, muß eine Reihe von Mädchen mit mehreren Verwahrlosungsmerkmalen belegt worden sein.

15 Bönsch, S. 62. Anders als Düchting versuchte Bönsch, jeden seiner Probanden jeweils nur einer Verwahrlosungsform zuzuordnen und schlüsselte zudem die wegen „verschiedener Erscheinungsformen“ ergangenen Einweisungen nicht auf. So kam er auf insgesamt 100 Prozent.

16 So Alfons Kenkmann, Fürsorgeberichte, in: Bernd A. Rusinek/Volker Ackermann/Jörk Engelbrecht (Hg.), Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt Neuzeit, Paderborn 1992, S. 152.



















































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17 Gräser, S. 96.

18 Egon Behnke, „Alte“ und „moderne“ Erziehungsgrundsätze in der Fürsorgeerziehung, in: Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt [ZBlJR] 24 (1932/33), S. 2 –12, 49 – 55, hier S. 9f.





























































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19 Vgl. die zahlreichen Inspektionsberichte in den Fallakten der Fürsorgeerziehungsbehörde (ALWL, C 50I).

20 Bericht über die Ergebnisse der Provinzialverwaltung 1922/23, S. 132.

21 Gräser, S. 216.





















































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22 Zur Ausdifferenzierung der Jugendfürsorge in der Weimarer Republik vgl. zusammenfassend ebd., S. 81 – 90.

23 Vgl. Peukert, S. 240 – 248; für Westfalen Kuhlmann, S. 30 – 35.




















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24 Konferenz der preußischen Fürsorgeerziehungsdezernenten, 1.-2.9.1930 (Landesarchiv Berlin, Rep. 142/6 B 1343).

25 Jochen-Christoph Kaiser, NS-Volkswohlfahrt und freie Wohlfahrtspflege im „Dritten Reich“, in: Hans-Uwe/Heinz Sünker, Politische Formierung und soziale Erziehung im Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1991, S. 83.






















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26 Vgl. grundlegend die fast 400seitige sozialpädagogische Fachhochschul-Diplomarbeit von Martin Guse/Andreas Kohrs, Die „Bewahrung“ Jugendlicher im NS-Staat. Ausgrenzung und Internierung am Beispiel der Jugendkonzentrationslager Moringen und Uckermarck (Typoskript) Hildesheim 1985; dies., Zur Entpädagogisierung der Jugendfürsorge in den Jahren 1922 – 1945, in: Otto/Sünker, Arbeit, S. 228 – 249; Martin Guse, „Wir hatten noch garnicht angefangen zu leben“. Eine Ausstellung zu den Jugend-Konzentrationslagern Moringen und Uckermarck 1940 – 1945, Moringen 1992; vgl. auch Michael Hepp, Vorhof zur Hölle. Mädchen im „Jugendschutzlager“ Uckermerck, in: Angelika Ebbinghaus (Hg.), Opfer und Täterinnen. Frauenbiographien des Nationalsozialismus, Nördlingen 1987, S. 191 – 216; Peukeret, S. 288 – 291; Kuhlmann, S. 202 – 207.

27 Vgl. dazu Bernd Walter, Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne. Geisteskrankenfürsorge in der Provinz Westfalen zwischen Kaiserreich und NS-Regime, Paderborn 1996.

28 Vgl. dazu generell Thomas Nipperdey, 1933 und Kontinuität der deutschen Geschichte, in: ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte. Essays, München 1986, S. 236.

29 Eckart Pankoke/Christoph Sachße, Armutsdiskurs und Wohlfahrtsforschung. Zum deutchen Weg in die industrielle Moderne, in: Stefan Leibfried/Wolfgang Voges (Hg.), Armut im modernen Wohlfahrtsstaat. Opladen 1992, S. 167.


















































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30 Report of the Home Office Delegation to the British Zone of Germany, App. C: The Situation in Westphalia (Public Record Office Kew [PRO], FO 1013 193). Übersetzung vom Verfasser.

31 Matthias Almstedt/Barbara Munkwitz, Ortsbestimmung der Heimerziehung. Geschichte, Bestandsaufnahme, Entwicklungstendenzen, Weinheim/Basel 1982, S. 15.

32 Report of the Home Office Delegation, App. C (wie Anm. 30).

33 Vgl. z.B. Erich Kiehn, Praxis der Heimerziehung, Freiburg 1965, dort v.a. das Kapital ‚Heimordnung‘ (S. 52 – 58) – das in der 3. Aufl. des Buches von 1972 bezeichenderweise nicht mehr auftaucht. Einen detaillierten Einblick in Standards und Selbstverständnis der geschlossenen Jugendfürsorge bieten Friedrich Trost/Hans Scherpner )Hg.), Handbuch der Heimerziehung, Frankfurt a.M. 1952 – 1966.














































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34 Von den Reformbestrebungen der fünfziger Jahre zeugen insbesondere eine Reihe von Artikeln in der 1949 gegründeten Zeitschrift „Unsere Jugend“; vgl. zusammenfassend Almstedt/Munkwitz, S. 18 – 21; Hans Nootbaar, Sozialarbeit und Sozialpädagogik in der Bundesrepublik 1949-1962, in: Rüdeger Baron/Rolf Landwehr (Hg.), Geschichte der Sozialarbeit. Hauptlinien ihrer Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Weinheim/Basel 1983, S. 275 – 277.

35 August Stähler, Das St. Marienstift. Seine Wurzeln und sein Werden, in: Marienstift Appelhülsen: Festschrift, 79, Nottuln 1979, S. 118.

36
Vgl. die einschlägigen Beiträge in: Trost/Scherpner, v.a. S. 97 – 215; außerdem Edward R. Dickinson, The Politics of German Child Welfare from the Empire to the Federal Republik, Cambridge/London 1996, S. 257 – 262, 272f.

37 Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hg.), Tätigkeitsbereich 1951 – 1954, S. 29f.

38 Vgl. ALWL, PA Hecker; Franz-Werner Kersting, Anstaltsärzte zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik. Das Beispiel Westfalen, Paderborn 1996, S. 350 – 352; Götz Aly, Der saubere und schmutzige Fortschritt, in: ders. u.a., Reform und Gewissen. „Euthanasie“ im Dienst des Fortschritts, Berlin 1985, S. 38, und Zdzislaw Jaroszewski (Red.), Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939 – 1945, Warschau 1993, S. 171 – 175.










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39 Scheuner an Landesrat Schulte-Broich, 29.11.1950 (ALWL, C 10/11 293d).

40 Zu Dorsten vgl. den Beitrag von Karl-Heinz Menzler in diesem Band.

41 Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hg.), Tätigkeitsbericht 1956 – 1960, S. 82f.

42 Vgl. dazu den Beitrag von Karl Abel in diesem Band.

43 Die Problematik gerade der ohne gerichtlichen Beschluß angeordneten FEH in Hinblick auf Art. 104 GG (Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung) wurde in Fachkreisen früh diskutiert. Vgl. z.B. Gerhard Potrykus, Freiwillige Erziehungshilfe und Artikel 104 GG, in: ZBlJR 47 (1960), S. 233 – 236; Walter Becker, Das Problem der Freiheitsentziehung in der freiwilligen Erziehungshilfe, in: ebd. 48 (1961), S. 1 - 13.

44 Zu den Aktionen und publizistischen Polemiken, in denen sich die wachsenden Widersprüche zwischen Heimerziehung und gesamtgesellschaftlichem Reformklima entluden, vgl. z.B. Rose Ahlheim u.a., Gefesselte Jugend. Fürsorgeerziehung im Kapitalismus, Frankfurt a.M. 1971; Peter Brosch, Fürsorgeerziehung. Heimterror und Gegenwehr, Frankfurt a.M. 1971; Ulrike Meinhoff, Bambule. Fürsorge – Sorge für wen?, Berlin 1971; zusammenfassend Almstedt/Munkwitz, S. 29 –45.

45 Daten Fakten Trends. 20 Jahre Landschaftsverband Westfalen-Lippe 1953 – 1973, S. 70f.

46 Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hg.), Planen, Bauen, Helfen, Pflegen 1970 – 1975, Münster 1975, S. 60.

47 Achtes Buch Sozialgesetzbuch: Kinder- und Jugendhilfe vom 26.6.1990 (BGBl. I, S. 1163). Vgl. Wolfgang Gernert, Kooperationspartner Landesjugendamt: in: ders. (Hg.), Das Kinder- und Jugendhilfegesetz 1993. Anspruch und praktische Umsetzung. Eine Einführung in das Achte Buch Sozial- gesetzbuch (SGB VIII), Stuutgart u.a. 1993, S. 356f., und Johannes Münder u.a., Frankfuhrter Lehr und Praxiskommentar zum Kinder- und Jugendhilfegesetz. Stand: 1.4.1993, Münster 1993, S. 268 – 272.

© Landschaftsverband Westfalen Lippe

[ Erstveröffentlichung auf dieser Webseite: 30. November 2004 ]


Subindex Nr. 10

Ehemalige Heimkinder schöpfen neue Hoffnung, bassierend auf ein neues Gerichtsurteil - Kammergericht Berlin-Moabit - 15. Dezember 2004 - zum Thema ***Menschenentwürdigende freiheitenziehende Massnahmen ( Geschlossene Unterbringung ) zuwider dem Grundgesetz und zuwider allen Menschenrechtskonventionen***. Das Urteil kondemniert insbesondere die Vorgehensweise und Zustände in Erziehungseinrichtungen der *Jugendhilfe* in der ehemaligen DDR (Az.: 5 Ws 169/04 REHA) ((551 Rh) 3 Js 322/03 (286/03)).

GLEICHERWEISE AUF DEN WESTEN ZUTREFFENDE Auszüge aus dem "Abschlussbericht des Unabhängigen Untersuchungsausschusses zu Vorgängen im ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau [in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik]"

Schwarze Pädagogik in der ehemaligen DDR : Deutsche Demokratische Republik.
Artikel diesbetreffend von Helmuth Frauendorfer, in Wochenzeitung
RHEINISCHER MERKUR
Nr. 47 vom 20.11.2003 : »Der Schock wirkt weiter« -
DDR-Vergangenheit - Kommunismus - Jugendwerkhof Torgau - die verschärfteste
Form der militaristischen Maßregelung und Umerziehung von Kindern und Jugendlichen,
um sie kollektiv dem sozialistischen Menschenbild gleich machen zu können.


"Kinderrechte" existierten in der Bundesrepublik auch schon damals , wurden aber, was "Heimkinder" betraf, von den Verantwortlichen einfach ignoriert!

Das zum ersten mal in Deutschland am 1. Mai 1961 verwirklichte und am 1. Juni 1962 in Kraft tretende Bewahrungsgesetz
wurde fünf Jahre später vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig - nicht im Einklang mit dem Grundgesetz - erklärt.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von § 73 Abs. 2 und 3 Bundessozialhilfegesetz vom 18. Juli 1967.


BESINNLICHES: " W E R..S C H W E I G T..M A C H T..S I C H..M I T S C H U L D I G ! "

"Ehemalige Heimkinder" Deutschlands (1945-1985) schöpfen neue Hoffnung, auf Grund eines Schreibens des deutschen Bundesministeriums der Finanzen vom 5. März 2004. Werden sie trotzdem wieder von der Regierung enttäuscht werden? – Teilweises Zitat des Schreibens. – Betrifft: "Nachricht von den "Ehemaligen Heimkindern" Deutschlands (1945-1985) an die Bundesregierung Deutschland vom 16. Februar 2004".

SUCHE NACH INFORMATION über Moorlager Anstalt Freistatt im Wietingsmoor im Hannoverschen, ein Wirtschaftunternehmen der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, in Niedersachsen. Erste Aufnahmen von Kontakt von Martin Mitchell aus Australien mit Helfern in Deutschland per Luftpostbrief, 18. Februar 2003. Antwort vom 1. April 2003:

DIE RECHTSFRAGE FÜR ALLE EHEMALIGEN "HEIMKINDER" SOLLTE SEIN:
– Verfassungsmässigkeit geschlossener Unterbringung –
War Deine / meine oft jahrelange Internierung, diese Internierung selbst, in einer geschlossenen Einrichtung, rechtswidrig oder nicht?


"Ehemalige Heimkinder" : Institutionelle "Kindesmisshandlung" als solche war auch "zu damaligen Zeiten" (1945-1985) gesetzwidrig, aber die damaligen minderjährigen Opfer von "Misshandlungen" - was das dann existierende Gesetz betraf - wussten dies natürlich nicht, . . . Anschliessend hierzu, die Wiedergabe eines zutreffenden Urteils: Bundesgerichtshof - BGH ST 3, 105 - BGH, Urteil vom 06.06.52 - 1 StR 708/51 - Misshandlung von Schutzbefohlenen

Die wahre Geschichte der damaligen ANSTALT FREISTATT aufgedeckt und erstmalig im Internet veröffentlicht! ANSTALT FREISTATT, Torfgewinnungsgesellschaft im Bethel eigenen Wietingsmoor, ein privat-kirchliches Wirtschaftsunternehmen und Moorlager Arbeitserziehungslager / Arbeitszwangslager der Diakonie (1899-1991), das noch jahrzehntelang nach dem Zweiten Welt Krieg in der Bundesrepublik Deutschland angewendet wurde, wo 14 bis 21 Jahre alte “schwererziehbare” jugendliche deutsche Zwangsarbeiter systematisch getrimmt und auf das Schlimmste misshandelt wurden.

Das Wirtschaftsunternehmen der Torfgewinnungsgesellschaft im Bethel eigenen Wietingsmoor, im Areal der ANSTALT FREISTATT, im Hannoverschen, in der Bundesrepublik Deutschland, und dessen jugendlichen deutschen Zwangsarbeiter, im Vergleich zu den jugendlichen – und auch älteren – deutschen Zwangsarbeitern im BREMISCHEN TEUFELSMOOR, ein Wirschaftsunternehmen der TurbaTorfindustrie G.m.b.H, im Dritten Reich. Was war der Unterschied? Das ersterwähnte wurde (von 1899-1991) von der Diakonie betrieben, das andere (von 1934-1945) vom Staat.

Die Kirchen waren die Täter, die Jugendämter waren die Heeler!

Martin Mitchell aus Australien, ein Opfer von "Institutioneller Kindesmisshandlung" in kirchlichen Heimen in Deutschland, der jetzt in Australien lebt, stellt diese und viele andere ähnliche Fragen, an alle Leidensgenossen und Leidensgenossinen der "Ehemaligen Heimkinder", und auch an alle Täter und Heeler, die damals für das schwerwiegende Leiden das sie Kindern und Jugendlichen in ihrer Obhut zugefügt haben, verantwortlich waren

[ Heimerziehung – Zöglinge - Heimkinder ] Zwischen Disziplinierung und Integration
– Westfälisches Institute für Regionalgeschichte – Landschaftsverband Westfalen-Lippe Münster –
FORSCHUNGEN ZUR REGIONALGESCHICHTE – Markus Köster und Thomas Küster (Hg.)
[ Anstaltserziehung – Fürsorgeerziehung – Weimarer Republik – Drittes Reich – Bundesrepublik ]


Dorothea S. Buck-Zerchin, Ehrenvorsitzende, Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.:
Offener Brief an den Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler aus Anlass der Ausstellung
"Tödliche Medizin – Rassenwahn im Nationalsozialismus" in Dresden Oktober 2006;
Offener Brief, Hamburg den 9. Oktober 2006.


Dipl.-Päd. Wolfram Schäfer, Institut für Erziehungswissenschaft, Philipps-Universität Marburg:
Fürsorgeerziehung und Jugendpsychiatrie im Nationalsozialismus
Die erbbiologisch begründete Forderung nach der »Aussonderung Unerziehbarer« aus der Fürsorgeerziehung war von den führenden Vertretern der deutschen Jugendpsychiatrie bruchlos aus der Weimarer Republik über die NS-Diktatur in die Bundesrepublik tradiert worden. Die Auswirkungen auf die Gestaltung der Heimerziehung in der jungen Demokratie waren bekanntermaßen fatal.


Freistatt – Wirtschaftsunternehmen – Teil I
Freistatt – Anstalt Freistatt – Diakonische Heime Freistatt – Diakonie Freistatt – Freistatt im Wietingsmoor – Betheler Zweiganstalten im Wietingsmoor – Arbeiterkolonie Freistatt – Arbeitsdienstlager Freistatt – Moorkolonie Freistatt –
“Zwangsarbeitslager Freistatt”
Was entspricht der Wahrheit, und was nicht?


Opfer von Gewalt und Zwang in deutschen Fürsorgeanstalten (meistens kirchlicher Trägerschaft beider deutschen Amtskirchen) unter allen politischen Systemen, bis in die jüngsten Tage

"Mädchenknast" – Dortmunder Vincenzheim – September 1977 – auch hier werden Heimkinder weitergehend gefangen gehalten und als unentlohnte Arbeitskräfte – Zwangsarbeiter – von der Katholischen Kirche von Deutschland ausgebeutet – hier in einer Waschanstalt / Großwäscherei der Paderborner Vinzentinerinnen.

Braunschweiger Hauszeitschrift des Marienstiftes "Doppelpunkt" - Heft Nr. 3/2000
Aus der Geschichte des Marienstiftes
[und anderen solcher Einrichtungen]:
So, ungefähr, sah es aus – über einen Zeitraum von zwischen 50 bis 70 Jahren –
für ‘verwahrloste’ Mädchen unter dem "Jugendwohlfahrtsgesetz"
in allen deutschen (Mädchen)Erziehungsanstalten / Mädchenheimen
( ob evangelisch-lutherisch oder katholisch ! ),
also auch in der Nachkriegszeit, im "Wirtschaftswunder Westdeutschland".


Die schreckliche Seite der Kirche - SPIEGEL ARTIKEL vom 19.5.2003 - KIRCHE Unbarmherzige Schwestern

Heft 4 - I. Quartal (Jan 2004) CAMPO-Magazin-Artikel von Martin Mitchell »Präzedenz oder weitere (Ent)täuschung ?«

Leserbrief betreffs Magazin-Artikel »Präzedenz oder weitere (Ent)täuschung«, von Martin Mitchell

Schutzbefohlene Heimkinder / Insassen Hinter Mauern : Ein Fallbeispiel – Der Leidensweg des Paul Brune

DAS SCHWEIGEN DER (UNSCHULDS)LÄMMER : KIRCHE UND STAAT – betreffs Institutioneller Kindesmisshandlung in meistens kirchlichen Heimen in Deutschland

Systematische Kindesmisshandlung in kirchlichen Heimen – Ausbeutung von Kindern in massiven Wirtschaftsunternehmen der Kirchen in Deutschland. – Wer schweigt, macht sich (mit)schuldig

Achtung "Ehemalige Heimkinder"! Gerichtsurteil betreffs unentlohnter "Kinderzwangsarbeit" Präzedenzfall: Jugendlicher Zwangsarbeiter klagt im Landgericht!

Misshandlungen, Missbrauch, und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen –
von Seiten der beiden deutschen Amtskirchen – als sie "Ehemalige Heimkinder"
in konfessionellen Heimen waren (in West-Deutschland, 1945-1985).




Bitte nicht vergessen auch "Ehemalige Heimkinder" @ http://heimkinderopfer.blogspot.com zu besuchen.


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