Leserbrief
Endlich
wird das Schicksal der Heimkinder in der Nachkriegszeit zum Thema.
Kirchliche und staatliche Einrichtungen haben in einer unheiligen
Allianz die Schwarze Pädagogik der Nazis fortgeführt. Immer
noch stehen die Heimkinder in der Opferhierarchie ganz unten.
Das
Buch von Herrn Wensierski ist hoffentlich geeignet, das Schicksal der
Heimkinder ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken
und dadurch die Verantwortlichen zu bewegen. Von Wiedergutmachung
kann zwar keine Rede sein, denn der Verlust von Kindheit und Jugend
ist nicht wieder gut zu machen. Aber drei Dinge sollten möglich
sein:
1. Anerkennung der Verantwortung und Bitte um Vergebung
Verantwortlich sind hier neben einigen noch lebenden Personen
vor allem Institutionen und ihre Rechtsnachfolger: An erster
Stelle sind die Kirchen und die mit ihnen verbundenen Einrichtungen
zu nennen, und dann die staatlichen Auftraggeber. Not tut ein neues
„Stuttgarter Schuldbekenntnis“, in dem beide Kirchen die
inhaltliche Verantwortung für ihre Einrichtungen in Diakonie und
Caritas bzw. ihrer Orden übernehmen und die damals Mißhandelten
und Ausgebeuteten im Vergebung bitten.
2. Inhaltliche
Aufarbeitung
Theologie und Kirchen schulden der
Öffentlichkeit Rechenschaft, wie es angesichts der menschen- und
speziell kinderfreundlichen Botschaft Jesu zu dieser Orgie von
Verletzungen der Menschenrechte kommen konnte. Auch die
staatlichen Instanzen sind aufgerufen, sich an dieser Rückbesinnung
zu beteiligen: Wie konnten aufsichtführende Ämter dermaßen
versagen? Und: Wie steht es heute mit der Aufsicht? Jugendämter
haben keine Fachaufsicht und es gibt immer wieder Einzelfälle,
in denen Landräte und Jugendamtsleiter versuchen, amtliches
Versagen zu bemänteln und inkompetente Mitarbeiter zu
decken.
3. Finanzielle Linderung der Folgen
„Arbeitstherapie“ gehörte damals zu den
Standardmaßnahmen. So darf mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß Kinder und
Jugendliche zumindest ab dem 14. Lebensjahr in den Kinderheimen zur
Arbeit eingesetzt wurden. Es ist also ausreichend, wenn durch Akten
oder Zeugen belegt wird, daß jemand im jugendlichen Alter im
Heim gewesen ist und wie lange. Diese Zeit ist bei der
Rentenzumessung zu berücksichtigen. Eine solche Denkfigur
entspricht fiskalischen Pauschalannahmen zur „Lebenswirklichkeit“,
gegen die in der Regel kein Widerspruch einzelner Steuerpflichtiger
zugelassen wird. Hier muß man den Staat in die Pflicht
nehmen.
Da auf die Rentenkassen damit wieder einmal
„politische“ Kosten zukommen, wäre eine finanzielle
Beteiligung der Einrichtungen angemessen, die von der Arbeitskraft
der Kinder profitiert haben.
Eine kirchliche Bitte um
Vergebung würde um so glaubhafter, wenn die Kirchen zusammen mit
den staatlichen Instanzen einen Opferfonds finanzierten, aus dem dann
die erforderlichen Psychotherapien bezahlt werden können, die
den traumatisierten Heimkindern helfen, mit ihrer Vergangenheit
fertig zu werden.
Dierk Schäfer Diplom-Psychologe &
Diplom-Theologe Akademieweg 11 73087 Bad Boll Fone: (0
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