Der Betreiber dieser nichtkommerziellen Webseite ist der hoch-engagierte Martin Mitchell in Australien (ein ehemaliges “Heimkind” in kirchlichen Heimen im damaligen West-Deutschland)

►Heimerziehung: Lektüre / Tagungsbeitrag von Prof. Dr. Christian Schrapper
Professor für Pädagogik und Sozialpädagogik an der Universität Koblenz –
an die Anwesenden der Veranstaltung am 9. Juni 2006 in Idstein im Taunus,
mit Kommentaren, u. a., von
Wolfram Schäfer
(Philipps Universität Marburg)
und Peter Wensierski
(SPIEGEL - Berlin).


Aus der Geschichte lernen –
die Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren,
die Heimkampagne und die Heimreform


Veranstaltung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen mit der
Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IgfH) und dem
SPIEGEL-Buchverlag bei DVA – am 9. Juni 2006 in Idstein im Taunus


Ausschnitt aus der Tagungsdokumentation (Kassel, August 2006)
ISBN: 3-9251-65-2
ISBN: 13:978-3925146-65-7

[ ERSTE TEIL (Seite 37-54): ]

[ 37 ]

Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren im Kalmenhof
Konzeption – Praxis – Kritik


Prof Dr. Christian Schrapper:

Vielen Dank für die Einladung. Vor knapp 17 Jahren habe ich schon einmal an dieser Stelle
gestanden, hier in der Stadthalle in Idstein. Auch damals ging es darum, aus Vergangenem
lernen zu wollen, Geschichte nicht zu verdrängen, nicht zu vergessen, sondern Geschichte
wieder lebendig zu machen. Peter Wensierski hat bereits ausführlich aus unseren
damaligen Forschungen und Berichten vorgetragen. Es war 1989, als nach langer Zeit der
Verdrängung der Versuch unternommen wurde, überhaupt wieder den Anschluss zu
finden an die Geschichte des Kalmenhofes, vor allem in den Jahren 1933 bis 1945. Heute
soll wieder so ein Versuch gewagt werden, und wieder wird versprochen: „Wir wollen aus
der Geschichte lernen.“ Mich hat die damalige Erfahrung skeptisch gemacht, ob dieses
Lernen aus der Vergangenheit gelingen kann. Ich komme darauf zurück.

An die Geschichte des Kalmenhofes in den Jahren bis 1945 ist zu erinnern, um auch
systematisch zu verstehen und nachvollziehbar zu machen, was an Lebensschicksalen
aus der Zeit nach 1945 hier vorgestellt wurde. Hier wurde heute Morgen eine Zeitschrift
aus dem evangelischen Bereich verteilt mit einem Artikel zum Thema „ehemalige Heimkinder“.
In diesem Artikel wird auch versucht das Gegenbild zu zeichnen, wenn eine Frau
vorgestellt [wird], die in einem Heim der 1950er Jahre ihr Lebensglück gefunden hat. Wird
hier der Versuch unternommen, zu relativieren und die Leidensgeschichten der hier
vertretenen „ehemaligen Heimkinder“ zurückzuweisen oder wird nur versucht, diese
Geschichten ins „richtige“ Verhältnis zu setzen, zu zeigen, es ging auch anders?

Meine Thesen und Fragen:

  • Heimerziehung in den 1950er und 60er Jahren war antidemokratisch und repressiv, sie hat vielen jungen Menschen geschadet – musste das so sein?


  • Über schlechte und skandalöse Heimerziehung wurde schon viel berichtet und diskutiert – warum immer wieder neu?


  • Neu ist, dass erwachsene Menschen damit konfrontieren, welche Spuren und Verletzungen Heimerziehung in ihrem Leben hinterlassen hat – was folgt daraus für „ehemalige“ wie für „aktuelle“ Heimkinder?

  • Das Verdrängte kehrt wieder – kann aus diesen Geschichten „gelernt“ werden?

Über schlechte und skandalöse Heimerziehung wurde schon viel berichtet und diskutiert,
auch darauf werde ich noch eingehen. Dabei wird deutlich, dass hier und heute nicht das
erste Mal presse- und öffentlichkeitswirksam über skandalöse Zustände im Kalmrnhof
berichtet wird. Warum ist es also offenbar immer wieder nötig, dass solche Anläufe
genommen werden, um darauf aufmerksam zu machen? Was ist neu an der heutigen
Diskussion? Neu ist für mich vor allem, dass erwachsene Menschen uns damit
konfrontieren, welche Spuren und welche Verletzungen Heimerziehung in ihrem Leben
hinterlassen hat. Wir diskutieren nicht mehr mit aufgebrachten Jugendlichen darüber, die
unzufrieden sind mit ihrer aktuellen Situation, wie noch in den Zeiten der sogenannten
„Heimkampagne“, sondern hier sitzen Menschen, die einen Großteil ihres Lebens gelebt
haben und darauf verweisen, was es in ihrem Leben bedeutet hat, in solchen Heimen

[ 38 ]

gelebt zu haben. Das Verdrängte kehrt also wieder, und damit auch die Frage, was denn
tatsächlich aus der Geschichte gelernt werden kann, und wer das sein soll, der etwas lernt.

Es geht hier und heute zwar wesentlich um den Kalmenhof, doch der Kalmenhof steht
auch exemplarisch, Frau Dr. Vanja hat es auch schon deutlich gemacht, er steht
exemplarisch für Hessen und kann auch exemplarisch stehen für die Heimerziehung und
Fürsorgeerziehung in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Und der Kalmenhof steht
exemplarisch für einen Teil deutscher Geschichte, an den wir ebenfalls nicht gerne erinnert
[werden möchten], für die Verluste und für den langfristigen Schaden, den die deutsche
Gesellschaft insgesamt, so auch die soziale Kultur, die Pädagogik und die Heimerziehung durch
den Nationalsozialismus genommen haben. Ich will auf diese Zusammenhänge aufmerksam
machen zwischen dem, was hier heute und über die Zustände in der Heimerziehung im
Kalmenhof in den Nachkriegsjahren bis etwa 1970 verhandelt wird und dem, was zwischen 1933
und 1945 im Kalmenhof passiert ist. Denn scheinbar bruchlos wird nach 1945 in vielfältiger
Weise hier fortgesetzt, was in den 12 Jahren zuvor an schrecklichem Regime installiert
worden ist. Hier sind zwar keine Kinder mehr zu Tode gespritzt worden, aber ihnen ist
schlimmes passiert. Um diesen Bruch zu verstehen, ist es wichtig, daran zu erinnern, wie
der Kalmenhof gegründet worden ist.

I. Der Kalmenhof 1889 bis 1970

  • Von einer großbürgerlich getragenen, pädagogisch qualifiziert entwickelten und wirtschaftlich erfolgreich geführten Einrichtung bis 1933 ...

Der Kalmenhof ist entstanden als eine Gründung großbürgerlicher Kreise aus Frankfurt, es
waren wohlhabende Industrielle, ein jüdischer Bankier, der ungeliebte preußische
Polizeipräsident, ein bekannter Sozialpolitiker, es war sozusagen die Hautevolee der
Frankfurter Gesellschaft, die die „Idiotenanstalt Calmenhof“ gründete, um behinderten
bildbaren Kindern die Möglichkeit zur schulischer und beruflicher Ausbildung zu geben.
Nicht aus selbstloser Liebe, sondern aus dem Kalkül, nur Bildung macht diese jungen
Menschen zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft.

Es war beeindruckend, wie durch gesellschaftliches Engagement eine sowohl fachlich
fortschrittlich als auch wirtschaftlich erfolgreich geführte Einrichtung entstehen konnte, die
sich auch über die Wirrnisse des 1. Weltkrieges und der Inflationszeit [hinweg] hier in Indstein
gehalten hat. An dieses Niveau der „Heilerziehungsanstalt Kalmenhof“, wie sie ab den
1920er Jahren hieß, ist zu erinnern und an dieses Niveau konnte nach 1945 in keiner
Weise angeschlossen werden.

Ich hab ein Bild aus dieser Zeit mitgebracht:


„idiotische“ Kinder und ihre Erzieherinnen im Calmenhof, ca 1910

[ 39 ]

So sehen keine gequälten Kinder aus. Das Bild zeigt, so nannte man sie damals, „idiotische
Kinder“, heute würden wir sagen „lernbehinderte Kinder“. Es ist in der zeittypischen
Inszenierung ein Bild von Kindern, die gut versorgt waren.

Als Unterschied dazu noch mal ein anderes Bild aus der gleichen Zeit:



So sehen Kinder aus, die zur Arbeit erzogen werden. Sie merken auch an dem Kontrast
dieser beiden Fotos, was hier im Kalmenhof versucht worden ist zu leisten und auch
geleistet wurde.


Zum zweiten Kapitel der Kalmenhofgeschichte

I. Der Kalmenhof 1989 bis 1970

  • Von einer großbürgerlich getragenen, pädogogisch qualifiziert entwickelten und wirtschaftlich erfolgreich geführten Einrichtung bis 1933 ...


  • ... über Selektions- und Tötungsanstalt in Regie des Kommunalverbandes Hessen-Nassau bis 1945 ...


In dieser Einrichtung wurde 1933 „kalt geputscht“, d.h. unterstützt sowohl von den
örtlichen NSDAP-Größen als auch vom Bezirkskommunalverband aus Wiesbaden, wurde
der – wie es dann hieß „jüdisch durchmischte Verein“ liquidiert. Es wird ein Heimleiter
eingesetzt, der schon lange auf diese Position spekulierte. Und aus der erfolgreichen und
mit fortschrittlichen heilpädagogischen Methoden arbeitenden Heilerziehungsanstalt
wurde in einer rasenden Geschwindigkeit eine Einrichtung, in der nachgewiesenermaßen
auch Kinder in großer Zahl getötet und ermordet wurden.

[ 40 ]


Den Toten
der Jahre 1939 bis 1945
zum Gedenken


Alle 750 im Kalmenhof zwischen 1939
und 1945 gestorbenen oder getöteten
Menschen sind hier aufgeführt, soweit
heute noch in den Hauptbüchern, Akten,
Sterberegistern und Prozessunterlagen
nachweisbar.


(Toten-Säule der Kalmenhofausstellung, Stadthalle
Idstein 1989)


Dieses Bild zeigt die Totensäule; sie stand 1989 im Foyer dieser Stadthalle in Idstein, in der
unsere Austellung über die 100-jährige Geschichte des Kalmenhof gezeigt wurde. Auf
dieser Todessäule sind alle noch nachweisbaren 750 Menschen verzeichnet, die in den
Jahren zwischen 1933 und 1945 hier im Kalmenhof zu Tode gekommen sind. Ob getötet
oder gestorben, ob umgebracht oder eines natürlichen Todes gestorben, lässt sich nur noch
teilweise nachvollziehen. Aber die Lebensdaten, die kurze Aufenthaltsdauer, sprechen doch
bei den allermeisten Toten dafür, dass sie keinen natürlichen Todes gestorben sind. Es war,
diesen Teil der Geschichte dieses Ortes zu erinnern und ich kann noch gut die Stimmung
nachvollziehen, in der deutlich wurde, dass es auch noch Jahre danach hier in Idstein als ein
Schandfleck angesehen worden ist, mit dem man nicht so gerne konfrontiert wurde. Damit
komme ich in [meiner Darlegung] zur Zeit nach 1945.



I. Der Kalmenhof 1989 bis 1970

  • Von einer großbürgerlich getragenen, pädogogisch qualifiziert entwickelten und wirtschaftlich erfolgreich geführten Einrichtung bis 1933 ...


  • ... über Selektions- und Tötungsanstalt in Regie des Kommunalverbandes Hessen-Nassau bis 1945 ...


  • ... zu einer vernachlässigten und schlecht geführten Fürsorgeerziehungsanstalt in Regie des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen nach dem Kriege bis in die 1970er Jahre.

[ 41 ]

Der Kalmenhof wird in dieser Zeit zu einer vernachlässigten und schlecht geführten
Fürsorgeanstalt in der Regie des Landeswohlfahrtsverbandes. Mit ist an dieser [Stelle] wichtig,
deutlich zu machen, was in den Schilderungen über die Lebensbedingungen der
damaligen „Fürsorgezöglinge“, die Herr Wensierski vorgetragen hat, nicht der Grausamkeit
einzelner Erzieher geschuldet, sondern was daran typisch und gewollt war. Die Frage ist
doch: Musste es so sein, das junge Menschen in der Weise abgestempelt und behandelt
wurden, dass sie in der geschilderten Weise leiden mussten? War es nur der Zeitgeist
dieser langen Nachkriegsjahre? Hierzu muss man sich noch mal genau die Verfassung der
Einrichtung Kalmenhof in der Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes ansehen. Sie
sehen hier den Versuch, die Belegung und die Entwicklung der Bettenzahlen im Kalmenhof
in den Jahren nach 1945 bis in die 70er Jahre nachzuzeichnen.

Nachkriegsnot und Wiederaufbau
durch Überbelegung im Kalmenhof

Für die Austellung über die 100-jährige Geschichte des Kalmenhofes haben wir auch über die
Zeit zwischen 1945 und 1970 umfangreiche Akten und Archivmaterial sowohl in Kassel als auch
im Kalmenhof studiert und ich will Ihnen einige Quellen vortragen, die die Frage beleuchten, „Wie
wurde eigentlich die Situation hier gesehen, wie wurde sie wahrgenommen?“. Ist es tatsächlich
so, wie der Eindruck entstehen kann, dass es den – der Begriff wurde schon mehrfach benutzt –
"Oberen in Kassel" nicht bekannt war, was sich hier im Kalmenhof abgespielt hat?

Über die Lebensverhältnisse im Kalmenhof berichtet z.B. der neue Leiter des
Aufnahmeheimes, Karl Böcker 1958 in ausführlichem Report an die zuständige
Hauptverwaltung des Landeswohlfahrtsverbandes.

Zu Karl Böcker. Er tritt wie gesagt 1958 seinen Dienst im Aufnahmeheim an. Und es
gehört wohl zu den „Treppenwitzen“ der hessischen Heimgeschichte, dass dieser Karl
Böcker mit dem Aufnahmeheim des Kalmenhof 1961 in das neu gegründete Heim auf
dem Staffelberg in Biedenkopf zieht, das als das modernste Heim Europas eingeweiht
wurde. Das Aufnahmeheim war der unbeliebteste Teil des Kalmenhofes in Idstein, und
gerade dieser Teil wurde zur "Keimzelle" der Heimeinrichtung, deren Name wie kein
anderer mit den nur sieben Jahre später losbrechenden "Heimkampagnen" verbunden ist.
Karl Böcker schildert also die Situation im Kalmenhof in einem offiziellen Bericht an den
Landeswohlfahrtsverband 1958 so: "Die Unterbringung von 8 bis 10 und mehr
Jugendlichen in einem Schlafraum fördert Streit und Unruhe und gibt kaum die Möglichkeit zur
Einzelfallentwicklung. Die langen unfreundlichen Flure reizen allein durch die Schallwirkung

[ 42 ]

zum Toben und Lärmen. Um diesem Übel zu begegnen, muss dem natürlichen
Bewegungsdrang der Jugendlichen durch Anordnung und Ermahnung begegnet werden.
In dieser wenig erfreulich zu nennenden Umgebung spielt sich das Leben von weit über
100 Jugendlichen ab. [Hier] arbeiten Erzieher, die ihr Möglichstes zu geben bereit und die doch
über eine reine Bewahrungs und Aufsehertätigkeit nicht hinauskommen." Und so weiter
und so fort. (In Schrapper/Sengling, 1989, S. 166/167)

Der Bericht von Karl Böcker ist aber nicht der Erste, der die Situation im Kalmenhof in
dieser Weise schildert. Schon früher gab es immer wieder Auseinandersetzungen
zwischen der Zentrale in Kassel und Direktor Ernst Illge und später auch Direktor Alfred
Göschel, z.B. über die Praxis der Einstellung von Personal. So schreibt 1957
Landesdirektor Friedrich Schöffler, damals zuständiger Dezernent, Vorgänger der heutigen
Dezernentin, an Direktor Illge, "Ich beobachte seit Jahr und Tag die Art, wie Sie die Stellen
im Kalmenhof besetzen. Es hat mit Herrn M. angefangen – ob das besagter Herr M. war, ist
nicht mehr nachzuvollziehen – der Polizeiwachtmeister gewesen ist und Sie während Ihres
letzten Urlaubs vertreten hat. Ihm fehlte jede pädagogische Fortbildung. Sie haben eines
Tages die Einstellung eines Drogisten als Erzieher verlangt und haben Ihren Willen
durchgesetzt. Hinterher hat sich herausgestellt, dass es sich um eine
Gefälligkeitseinstellung handelte, weil Herr K. Ein Major war, in dessen Einheit Sie einmal
Feldwebel gewesen sind." Und so weiter und so fort. Dieses ist ein offizieller Bericht und er
endet mit den Worten: "Ich distanziere mich von allem, was im Kalmenhof geschieht".
(Schrapper/Sengling 1989, S. 150)

Also die Idee, es sei in Kassel nichts bekannt gewesen über die Verhältnisse im Kalmenhof
und auch die Idee, hier kamen die "Oberen" und ließen sich die schöne Fassade zeigen
und würden diese nicht durchblicken, diese Ideen sind nachweislich falsch. Es war
durchaus bekannt, wie es im Kalmenhof zugeht, auch in den Details. Und es gab immer
wieder heftige Auseinandersetzungen, aber Ernst Illge hat es bis zu seinem Tod 1962
offensichtlich verstanden, aufgrund welcher Freundschaften und Unterstützung auch
immer, sein „Regiment“, so wurde es schon damals bezeichnet, im Kalmenhof
durchzusetzen. Einerseits ließ er sich als deutscher Pestalozzi feiern – auch das finden Sie
auf den Ausstellungswänden zur 100-jährigen Geschichte – und andererseits war er der
"Diktator". Aber dahinter steht ein „System“ und darauf wollte ich mit der
Belegungsstatistik verweisen, was nicht nur den handelnden Personen geschuldet ist, also
der Durchsetzungsfähigkeit von Herrn Illge und möglicherweise der
Nichtdurchsätzungsfähigkeit des Landesdirektors Stöffler.

Denn der Kalmenhof war einerseits eine Belegeinrichtung für Fürsorgezöglinge in Hessen.
Den hessischen Jugendämtern und insbesondere dem Landeswohlfahrtsverband als
damaligem Hauptkostenträger für die Fürsorgeerziehung musste an möglichst günstigen
Pflegesätzen gelegen sein. An hoher Belegung und günstigen Pflegesätzen, nur so ließ
sich die Einrichtung wirtschaftlich führen. Auf der anderen Seite war der
Landeswohlfahrtsverband Träger und Eigentümer dieser Einrichtung. Er war es geworden
durch die Enteignung des Trägervereins aus Frankfurter Zeiten. Er war Eigentümer
geworden durch eine Enteignung, zwar nicht nur jüdischen aber auch jüdischen
Eigentums. Wie selbstverständlich ging der Kalmenhof 1945 in den Besitz des damaligen
Bezirkskommunalverbandes Wiesbaden über, aus dem dann 1953 der
Landeswohlfahrtsverband wurde. Der Landeswohlfahrtsverband hatte sich also den
Kalmenhof angeignet oder als Erbe übernommen, aber dieses Erbe inhaltlich
konzeptionell endgültig zerstört und andererseits in wirtschaftlicher Weise „bis auf’s Blut“
ausgenutzt. Was aus dem Kalmenhof wirtschaftlich aber auch konzeptionell und in der

[ 43 ]

personellen Besetzung in den Jahren zwischen 1933 und 1945 gemacht worden ist, hätte
spätestens ab Anfang der 1950er Jahre, erhebliche Investitionen zum Wiederaufbau im
wörtlichen wie im übertragenen Sinne verlangt, doch dafür waren die finanziellen Mittel
nicht da – oder wurden nicht eingesetzt.

Und genau dies ist eine Situation, die alle Verantwortlichen von heute auch gut kennen.
Die gleichen Debatten um die Gelder in öffentlichen Haushalten auf der einen Seite. Jeder
von Ihnen, der als Verantwortlicher oder Parlamentarier in einer kommunalen
Vertretungskörperschaft sitzt, der bei einer Behörde arbeitet, weiß, was es bedeutet,
öffentliche Ausgaben vertreten zu müssen und möglicherweise noch Mehrausgaben
rechtfertigen zu müssen. Die "Oberen in Kassel" mussten damals wie heute ein Interesse
daran haben, dass das, was an öffentlichen Aufgaben erledigt werden sollte, ich sage es
mal deutlich, so billig wie möglich erledigt wird. Diese Situation war damals möglicherweise
noch viel schärfer, auch angesichts der Nachkriegsnot und des zweifellos großen Aufbau-
und Wiederaufbaubedarfes, den es gab. Aber es gab auch in Hessen das
„Wirtschaftswunder“ mit spätestens ab Mitte der 1950er Jahre erheblich steigenden
Steuereinnahmen der öffentlichen Kassen.

Der Zusammenhang zwischen der Lebenssituation der junge Menschen im Kalmenhof, so
wie sie geschildert worden sind und der skizzierten politischen Lage des Landeswohlfahrts-
[verbandes] ist es, den ich deutlich machen möchte. Der Landeswohlfahrtsverband saß und
sitzt vielleicht wieder in einer "Zwickmühle": Als Träger der Einrichtung hätte ihm an hohen
Pflegesätzen gelegen sein müssen, denn nur damit hätte er diese Einrichtung fachlich und
wirtschaftlich wieder nach vorne bringen können. Als Hauptbeleger aber musste ihm an
niedrigen Pflegesätzen und hoher Belegung gelegen sein, denn nur dadurch konnte er seine
Kosten insgesamt gering halten.

Zum Alltag in der Fürsorgeerziehungsanstalt Kalmenhof in den 50er und 60er Jahren ist
eigentlich schon genügend gesagt worden, deswegen will ich es kurz halten.

Zum Alltag in der Fürsorgeerziehungsanstalt
Kalmenhof in den 1950er und 60er Jahren

  • Versorgung, Essen, Wohnen

  • Schule, Ausbildung und Arbeit

  • Freizeit und Gleichartiges

  • Kontakte zur Familie

  • Disziplin und Strafe

  • Entlassung und Perspektiven „danach“

  • Öffentliche Wahrnehmungen:


1952


1966

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Versorgung, Essen, Wohnen, Schule und Ausbildung, ich habe es angedeutet, mehr ist in
dem hier in Kopie verteilten Auszügen aus unserem Ausstellungsbuch von 1989
nachzulesen. Interessant sind die Bereiche "Disziplin und Strafe", interessant ist vor allem die
"Öffentliche Wahrnehmung" hierzu. Dazu zwei Beispiele aus der Idsteiner Zeitung aus den
Jahren 1952 und 1966.

1952 war ein Jugendlicher aus dem Kalmenhof mit einem Messer in der Tasche in Idstein
erwischt worden und er hatte einer anderen Jugendlichen erheblichen Schaden zugefügt.
Sofort entbrannte auch in der Idsteiner Zeitung die Debatte darum, wo die „Gefahren
demokratischer Erziehung“ und „demokratischer Freiheiten in“ den „Erziehungsanstalten“ liegen
müssen. Wie konnte es angehen, dass ein Jugendlicher aus dem Kalmenhof mit dem Messer
in der Tasche in der Stadt erwischt wurde.

Und noch 1966, auch hier ein Ausschnitt aus der Idsteiner Zeitung. „Freie Bahn für „Rififi“?“
war der Artikel überschrieben, in dem über einen Prozess in Wiesbaden gegen prügelnde
Erzieher des Kalmenhofes berichtet wurde. Das Interessante an dem Bericht ist, dass deutlich
wird, wie die Verhältnisse im Kalmenhof gesehen wurden. Der Richter verurteilte zwar den
angeklagten Erzieher, hat aber [klar gemacht] er zeigte gleichzeitig großes Verständnis dafür –
und genau darüber berichtete die Zeitung ausführlich – dass jemand, der unter solchen
Bedingungen wie im Kalmenhof arbeiten muss, auch mal zuschlägt. Es sei kein Wunder,
„dass im Kalmenhof nicht noch mehr passiert ist“. Die „Gefahren demokratischer Freiheiten in
Erziehungsanstalten“ und Verständnis für prügelnde Erzieher, das waren typische Berichte der
Presse über den Kalmenhof, nicht über leidende Kinder.

Die "Oberen in Kassel" – um diesen Begriff nochmals zu gebrauchen – wussten also um die
"Zustände" im Kalmenhof und die Menschen in Idstein wussten darum. Es wurde in der
Zeitung darüber berichtet, es wurde in Gerichtsverhandlungen daüber verhandelt. Es war kein
Geheimnis, sondern Teil einer durchaus geteilten und bekannten Wirklichkeit
bundesrepublikanischer Nachkriegsgeschichte auch hier in Idstein. Und die Stimmung dazu
war eindeutig, nicht Mitleid und Mitgefühl, sondern "Diese Kriminellen haben es auch nicht
besser verdient und sie sollen schön in den Anstalten bleiben, damit sie uns nicht gefährlich
werden". Das ist die Stimmung, die in vielen Berichten und Diskussionen über die
Heimerziehung auch hier, aber nicht nur im Kalmenhof, der 50er und 60er Jahre deutlich
wird: Auf der Seite „öffentlicher Verantwortung“ als auch der geschilderte Zwiespalt zwischen
Träger und Beleger [belegt]. In allen Arbeitsverträgen, in allen öffentlichen Konzepten zur
Heimerziehung, schon in den Heimrichtlinien des Landes Hessen von 1946, ist ein
ausdrückliches Prügelverbot festgehalten. Und 1961 wurde im Kalmenhof ernsthaft überlegt,
dieses Prügelverbot aus den Arbeitsverträgen für die Mitarbeiter im Kalmrnhof wieder
herauszunehmen, weil man ansonsten niemanden mehr für diese Arbeit finden würde. Auch
diese Details noch mal als ein Zeichen dafür, dass es nicht unbekannt war, sondern dass es
durchaus bekannt war, wie es im Kalmenhof "zuging"; und es gehörte zur akzeptierten Realität
dieser Jahre in Deutschland. Das aber wirft nochmals folgende Frage auf:

[ 45 ]

Warum war Heimerziehung vielfach so
repressiv, antidemokratisch und schädlich?

  • Heimerziehung als Ausnahme familiärer Versorgung und Erziehung, die die Regel bestätigen musste


  • Jugend als „Gefährdungspotential“, das „eingedämmt“ werden musste


  • Heimerziehung als Exerzierplatz und Reservat der Zurückgebliebenen


  • die Doppelmoral öffentlicher Verantwortung


  • die Ambivalenz öffentlicher Interessen

Diese Frage muss beantwortet werden, damit unsere Veranstaltung nicht nur zu einem
Blick in die Schreckenskammer der Frühjahre unserer Republik verkommt, wo wir heute
alle noch ein bisschen erschauern können, denn ist ja nicht nur abstoßend, sondern
irgendwie auch spannend. Dazu will ich fünf Aspekte nur skizzieren:

Erstens: Heimerziehung muss bis heute der Ausnahmefall familiärer Versorgung und
Erziehung sein. Und diese Ausnahme darf auf keinen Fall die Regel in Frage stellen. Was
im Ergebnis heißt, auch diese Stimmung findet sich heute vielfach wieder, „Es darf den
Kindern im Heim nicht zu gut gehen; sie könnten ja sonst auf die Idee kommen, dass es
im Heim schöner sein kann, als in den Familien, aus denen sie kommen.“

Ein zweiter Punkt: 'Jugend als „Gefährdungspotential“, das „eingedämmt“ werden musste.'
Dazu ist unsere Wahrnehmung heute etwas anders: Kindheit und Jugend wird
spätestens seitdem wir vom sog. Demografieproblem reden, eher als ein Zukunftspotenzial
geschätzt – sie sollen schließlich unsere Renten bezahlen. Jugend war im Unterschied zu
heute in den 1950er Jahren reichlich vorhanden. Konrad Adenauer konnte noch sagen:
„Familienpolitik, so was brauchen wir nicht; Kinder bringen die Menschen immer zur Welt.“
Insofern wurde Jugend – und das zieht sich durch viele Arbeitsfelder der Jugendwohlfahrt
dieser Jahre – eher als ein Gefährdungspotenzial wahrgenommen, nicht nur die
Jugendlichen in Fürsorgeerziehung, aber die in ganz besonderer Weise.

Und ein dritter Punkt: Heimerziehung ist immer schon Abstellplatz und Reservat für die
Zurückgebliebenen gewesen. Das galt sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir reden über Jahre spätestens ab 1955, also
von Wirtschaftswunder und Arbeitskräftemangel in der aufstrebenden Bundesrepublik, von
deutlich wachsenden Löhnen gerade in den Ballungszentren wie hier im Raum Frankfurt.
Wer wollte unter diesen Bedingungen im Kalmenhof arbeiten, diese schwere Arbeit tun,
Arbeit mit oft sehr langen Dienstzeiten und eine ausgesprochen schlecht bezahlte Arbeit?
Einrichtungen wie der Kalmenhof waren auch ein Sammelbecken der gesellschaftlich
Zurückgebliebenen, sowohl der Kinder als auch der Mitarbeiter. Zum Exerzierplatz wurden

[ 46 ]

die Heime durch das über allem schwebende Versprechen: „Wenn du dich fügst und
anstrengst, kommst du hier raus.“, nicht nur aus dem Heim, sondern auch vom Abstellgleis
– aber es war eben nur ein Versprechen.

Vierter Punkt: „Die Doppelmoral öffentlicher Verantwortung.“ Spätestens seit 1953 haben wir
wieder das Jugendwohlfahrtsgesetz. Darin wurde auch eine eindeutige Verantwortung für
das "Wohl der Jugend" normiert. Bereits seit 1949 gilt ein Grundgesetz mit den Artikeln
1 und 2, also zur „unveräußerlichen Menschenwürde“ und dem „Recht auf freie Entfaltung
der Persönlichkeit“ für Jedermann. Also eine öffentliche Verantwortung in einem
demokratischen und sozialen Rechtsstaat für das gesunde Wachstum und die Förderung
eines jeden Kindes. Und wir haben auf der anderen Seite öffentliche Kassen mit einem
ständigen Streit darum, was mit öffentlichem Geld bezahlt werden soll. Dieser Spagat,
wenn man es positiv fasst, diese Spannung ist aus meiner Sicht oft eben auch zu einer
Doppelmoral verkommen: In den Sonntagsreden, auch im Landeswohlfahrtsverband,
wurde die soziale Verantwortung hochgehalten und von Montag bis Freitag in jeder
erdenklichen Weise daran gespart. Die Dokumente und Akten über den Kalmenhof sind
voll davon, ständig wieder konfrontiert zu sein, auch angesichts zurückgehender
Belegungszahlen, mit Anforderungen wirtschaftlicher Einsparung, Personaleinsparung,
Kosteinsparung. Sie kennen die Stichworte zur Genüge. Das gehört für mich auch zu
einem Teil dieser Geschichte, an die zu erinnern ist, diese Doppelmoral, an die auch die
heutigen Verantwortlichen im Landeswohlfahrtsverband, den Kommunen und im Land
Hessen, zu erinnern sind und zu fragen ist, „Wie gehen Sie heute mit Ihrer Verantwortung für
die Lebensschicksale der Ihnen anvertrauten Menschen um?“. Anlässe dazu gibt es
genügend.

Und der letzte Punkt: Die Ambivalenz öffentlicher Interessen. Das ist eine Veranstaltung,
die zustande gekommen ist, weil ein großes deutsches Nachrichtenmagazin sich des
Themas angenommen hat. Aber das, was in Medien über Heimerziehung stand und steht,
ist durchaus ambivalent. Ich habe es an wenigen Ausschnitten aus der Idsteiner
Zeitung gezeigt, ich hätte es auch am SPIEGEL zeigen können: "Pädagogik unter Palmen"
findet sich dort genauso wie "Schläge im Namen des Herrn". Also trauen Sie nicht zu sehr
der Aufmerksamkeit, die Sie finden. Auch diese Aufmerksamkeit ist deutlich an Interessen
gebunden und die öffentliche Meinung war und ist in der Bewertung von Heimerziehung
durchaus ambivalent.

[ 47 ]

Das Zitat: „Hier werden Kinder systematisch zu Krüppeln gemacht“ stammte von Ulrike
Holler, einer damals jungen Journalistin des Hessischen Rundfunks, die in der
Jugendsendung am 15.11.1969, an einem Samstagnachmittag um 15.30 Uhr, wie mit
einem Paukenschlag die damls aktuelle Debatte um den Kalmenhof eröffnete. Auch
dieses war ein Zitat, denn in der Reportage heißt es weiter: „So spricht jemand, der es
wissen muss, ein Insider aus dem Kalmenhof“.

II.
„Hier werden Kinder
systematisch zu
seelischen Krüppeln
gemacht“

Ulrike Holler, in HR, 15.11.1969




Die Lebensumstände der Kinder im Kalmenhof fanden also bereits öffentliches Interesse,
nicht das erste Mal mit dem Buch von Herrn Wensierski, sondern schon etwa 40 Jahre
voher. Über die Zustände in hessischen Anstalten wurden damals ausführlich öffentlich
berichtet und höchst strittig diskutiert. Hier ein Flugblatt von der Arbeitsgruppe der
Ersatzdienstleistenden, "Stimmt die Richtung? – NEIN! – Kalmenhof - Spielwiese für den
repräsentativen Größenwahn eines unqualifizierten Direktors?". Damit war Alfred Göschel gemeint. Auf der Folie sehen Sie Auszüge aus Presseveröffentlichungen.
Am 15.11. kam die Sendung im Hessischen Rundfunk und schon am 18.11.1969, also
keine 3 Tage später, am kommenden Montag, startete die FDP-Fraktion im Hessischen
Landtag dazu eine Parlamentarische Anfrage.

[ 48 ]

Situation im
Kalmenhof
– Thema im landtag

Anfrage der FDP-Fraktion 18.11.1969

Und es wurde ein Beschluss des Lantages verlangt, aufzuklären, ob alles – die Zustände
auch tatsächlich so seien, wie im Rundfunk zu hören. An der Uni Marburg ist die
Dokumentation "Zuchthäuser der Fürsorge, eine Dokumentation" ebenfalls in dieser Zeit
entstanden ist – es muss September oder Oktober 1969 gewesen sein – eine
Dokumentation auch mit Interviews und Lebensgeschichten von Jugendlichen aus dem
Kalmenhof.

... Thema an den
Universitäten ...
Uni Marburg WS 69/70




Im Buch von Peter Wensierski berichten also nicht zum ersten mal betroffene Menschen
darüber, was ihnen auch im Kalmenhof passiert ist. Ich zeige Ihnen noch weitere
Veröffentlichungen aus diesen Jahren, die jetzt nicht nur den Kalmenhof betreffen, sondern
die Situation der Fürsorgeerziehung insgesamt. Immer wieder ähnliches Strickmuster, wie
auch heute. Es wird authentisch berichtet, es werden Betroffene befragt, es werden
Lebensgeschichten erzählt, es werden Alltagsgeschichten berichtet.

[ 49 ]



... Thema auf den
Büchermarkt



Peter Brosch, einer derjenigen, die die Heimerziehung und die Heimkampagne auch hier in
Hessen am eigenen Leibe miterlebt haben, er schreibt kurze Zeit später darüber und er hat auch
in den Folgejahren das Thema weiterhin bearbeitet. [1970] "Ausschuss und Aufbruch", [1971 und
1975] zwei Veröffentlichungen, die sich auf Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen beziehen,
und Michael Holzners autobiographischer Roman "Treibjagd" erscheint 1978, und schildert die Zustände in der Fürsorgeerziehung der 1950er und 60er Jahre ausführlich und authentisch.

Auf der nächsten Folie nur noch als Beispiel dafür, dass auch damit das Thema nicht zu Ende
war: Skandalöse Lebensbedingungen junger Menschen in Heimen bleiben Thema in den 1970er
und 80er Jahren. "Hat Heimleitung schuld am Tod einer 17järigen?" (ein Bericht über ein [evangelisches] Heim in Bremen) oder "Dunkle Zellen im Don-Bosko-Haus" [dieses "Don-Bosko-Haus" war ein katholisches Heim]

Skandalöse Lebensbedingungen junger Menschen
in Heimen bleiben Theam in den 1970er und 80er Jahren

Ein Bericht über eine Einrichtung in Düsseldorf – beides Ende der 70er Jahre – aus der
Frankfurter Rundschau.

[ 50 ]

Das ist ein Bild der Ausstellungwände, die hier im Foyer der Stadthalle 1989 gestanden
haben und genau diese Phase, über die wir jetzt reden, des Kalmenhofes, dokumentieren
sollen. Dieses noch mal als Erinnerung daran, auch hier und heute wird nicht das erste
Mal über die Situation berichtet. Warum also immer wieder öffentliche
Skandalberichte und Diskussionen über Zustände in den Einrichtungen der
Heimerziehung?

Öffentliche Erziehung war und ist eine zwiespaltige Veranstaltung. Sie ist Versprechen und
Fluch zugleich. Sie ist eine Bewährungsprobe für Versprechen eines demokratischen
Gemeinwesens und das macht sie auch immer wieder skandalträchtig. Und es braucht
offensichtlich alle 40 Jahre einen größeren Heimskandal:

  • Die allerwenigsten werden sich an 1927 erinnern, die Heimskandale in Ricklingen oder Scheunen, das waren damals preußische Erziehungsanstalten, in der Nähe von Berlin und im Harz. Aber es waren die gleichen Themen wie heute. Es gab Gerichtsverhandlungen darüber, dass in diesen Einrichtungen Jugendliche zu Tode
    geprügelt worden sind. Und es gab die gleiche Empörung. Ein damals bekanntes Buch und Theaterstück "Jungen in Not", von "Bambule". "Jungen in Not" wurde in vielen deutschen Bühnen gespielt, Ende der 1920er und Anfang der 30er Jahre, wo ebenfalls Thema war, wie es passieren konnte, dass in einem sich demokratisch zu verstehenden Rechtsstaat in öffentlichem Auftrag so mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wurde.


  • Dann 40 Jahre später, 1967, ein bisschen mehr als 40 Jahre, 1969 die Heimskandale. Ulrike Holler z. B. über den Kalmenhof


  • und widerum fast 40 Jahre später 2006: "Schläge im Namen des Herrn".

Offensichtlich braucht eine demokratische Gesellschaft in regelmäßigen Abständen solche
skandalösen Erinnerungen, um sich konfrontieren zu lassen damit, dass ihre Versprechen
"Menschenwürde" und "freie Entfaltung der Persönlichkeit" für alle Menschen gelten sollen
und nicht nur für die, die es sich leisten können. Und sie brauchte eine Konfrontation damit,
dass auch „staatliche Sorge“ – Frau Dr. Vanja hat es ja wunderschön [heute, hier], die Wurzeln

[ 51 ]

dieser „Sorge“ hergeleitet – dass auch „staatliche Sorge für Kinder“ etwas ist, was sich messen
lassen muss, an genau diesem Versprechen eines demokratischen Gemeinwesens.
Und Heimerziehung ist eben offensichtlich ein Lebensbereich, der einerseits nicht so viele
betrifft, aber andererseits, gerade weil es um Kinder und Jugendliche geht, den Skandal
umso deutlicher macht.

III. Die biographischen Spuren
öffentlicher Erziehung

  • Von Spuren, Wunden, und Narben – was „bewirkt“ öffentliche Erziehung in gelebten Leben?


  • Von Zeitgeist und Verantwortung – welche Maßstäbe sollen angelegt werden und wer trägt wofür Verantwortung?


  • Von Entschuldigungen und Entschädigung – was kann denn heute noch getan werden?


  • Von Erinnerung und Gedenken – wem nüzt was?

Ich komm zum Schluss. Was ist das Neue an der aktuellen Debatte? Bisher war ja im
Wesentlichen der Tenor meiner Ausführungen: „Neu ist das alles nicht.“, und, „Jeder, der es
gewollt hätte, hätte auch schon vor 20 Jahren, vor 40 Jahren, vor 50 Jahren wissen
können, wie es im Kalmenhof zugeht. Jeder der es gewollt hätte, hätte auch wissen
können, wie es in der Fürsorgeerziehung zugeht und jeder der es gewollt hätte, hätte auch
wissen können, was das für Menschen bedeutet, die unter diesen Bedingungen leben
müssen.“
[.٪.]
Also es ist nicht so, wie – und das ärgert mich, das muss ich deutlich sagen – wie z. B.
auch in dieser Zeitung aus der Diakonie, Jürgen Gohde, Präsident des Diakonischen
Werkes der Evangelischen Kirche, versucht den Eindruck zu erwecken, als könnten die
Verantwortlichen von heute überrascht sein von den Vorwürfen der ehemaligen
Heimkinder ihrer Heimanstalten, überrascht sein von den Veröffentlichungen über die
Heimerziehung in ihren Anstalten der 50er und 60er Jahre. Und auch ein Satz wie: „Wir
brauchen eine wissenschaftliche Aufarbeitung, was wirklich passiert ist.“ Da muss ich
sagen: „Lieber Herr Gohde, es gibt Bücherschränke voll; wenn Sie auch nur einen Teil
davon gelesen haben, dann wissen sie ’ne ganze Menge darüber, was passiert ist.“
[.٪.]
Zu fragen ist also auch: „Warum wird mit einem solchen Aufwand der Eindruck erweckt, als
wäre es jetzt etwas ganz neues, aus der Geschichte der Heimkinder der 1950er und 60er
Jahre lernen zu wollen?“
[.٪.]
Ich habe das Gefühl, hier wiederholt sich etwas, was wir auch aus der sogenannten Veragngenheitsbewältigung über die unrühmlichen 12 Jahre nationalsozialistischer Herrschaft kennen. Es werden immer nur die Teile der Geschichte hervorgezerrt, die gerade in die Diskussion passen.

Die biografischen Spuren öffentlicher Erziehung, das ist für mich tatsächlich das aufregend
Neue an der aktuellen Diskussion, dem sich öffentliche Verantwortliche Fachwelt und
Wissenschaft stellen müssen. Wir sind konfrontiert damit, dass öffentliche Erziehung
Spuren, Wunden und Narben hinterlässt.

[ 52 ]

Diese Spuren sind nicht nur kurzfristig feststellbar, z. B. als Nachweis von Wirksamkeit
pädagogischer Maßnahmen; es ist ja zur Zeit hochmodern nach solchen Nachweisen zu
fragen; und hier sitzen Verantwortliche, die viel Geld ausgeben, dieses zu erforschen.
Aber es macht einen Unterschied, ob unmittelbar für aktuell laufende pädogogische
Betreuung gefragt wird: „Was tut Ihr da und was bringt das und was kommt dabei raus?“
[.٪.]
Ober muss man sich der sehr viel komplexeren Frage stellen: „Was ist denn 20, 30, 40
Jahre nachher an [solch] einem gelebten Leben, an den Reflexionen und Überlegungen, an den
Verletzungen und Traumatisierungen erkennbar darüber, was öffentliche Erziehung bewirkt
hat?“

Auch über das Leben und Aufwachsen in Familien können sie in zahlreichen
Autobiografien nachlesen, auch über die 1950er Jahre und welche erheblichen
Verletzungen Kinder davon getragen haben. Aber das relativiert in keiner Weise. Also, das
ist für mich der erste und wichtigste Punkt: „Heimerziehung hinterlässt Spuren im Leben
der Menschen – und mit diesen Spuren muss sich Heimerziehung auseinandersetzen –
selbst dann, wenn diese Heimerziehung schon lange zurückliegt und wenn wir heute mit
Recht sagen können: ‚So findet Heimerziehung nicht mehr statt.’“

Von Zeitgeist und Verantwortung
Welche Maßstäbe sollen angelegt werden und wer trägt Verantwortung für die
unzweifelhaft teifen Verletzungen, die Heimerziehung zugefügt hat? „Strenge Disziplin und
auch entsprechende ‚Erziehungsmethoden’ – ‚Körperliche Züchtigung’ waren ja nicht nur in
Heimen, sondern auch in Familien, in Schule, in anderen Lebensorten durchaus Praxis
jener Jahre: ‚So war es eben.’“ Ich halte das für eine gefährliche Bagatellisierung.
[.
٪.]
Es geht um die Frage: „Woran soll beurteilt werden, was soll Maßstab sein, an dem das
Handeln von Erziehern und Verantwortlichen in den 1950er und 60er Jahren heute beurteilt werden kann?“
[.
٪.]
Jeder der sich mit historischen Bewertungen beschäftigt hat, wird immer wieder mit
der Frage nach Zeitgebundenheit und Relativität, von fachlichen oder politischen
Urteilen konfrontiert. „Aus heutiger Sicht“ stellt sich die Lage ja immer viel einfacher dar, da
sind die Verhältnisse doch klar. Jedem muss deutlich sein: „So kann man mit Kindern nicht
umgehen.“ „Aber damals“ – „Nachkriegszeit, Not, Überbelegung“, und all das was hier
geschildert worden ist, „da waren die Verhältnisse doch anders und daher muss es doch
Verständnis geben für die Erzieher, denen“ – auch das so eine beschönigende Rede – „mal die
Hand ausgerutscht ist.“

[.
٪.]
Ich will an dieser Stelle deutlich anders pladieren, dafür, dass Maßstab
für die Beurteilung nicht die Mehrheitsmeinung und die übliche Praxis einer Zeit
sein kann, sondern Maßstab für „professionellen Handelns“ – um das handelt
es sich – muss „das zu einer Zeit verfügbare Wissen“ sein. Und da muss man
deutlich sagen, auch 1950, auch 1957, auch 1965 musste den Handelnden deutlich sein,
und sie konnten wissen, welche Schäden und welche langwierigen und langfristigen
Traumatisierungen sie Menschen zufügen, wenn sie sie so behandeln, wie es hier
beschrieben wird.

Mir ist bewusst, mit solchen Forderungen vorsichtig zu sein, aber es ist notwendig, an
dieser Stelle die Latte eben doch höher zu legen und zu sagen: „Es kann nicht alles
entschuldigt werden durch die damaligen Zustände, durch die Armut, durch die Situation
auch mangelnder Ausbildung, sondern die Folgen dieses Handelns waren bekannt.“ Wenn
Sie nachlesen, in welcher Weise auch Fachverbände und Wissenschaft schon auf die
Heimskandale 1927, also 40 Jahre voher, geantwortet haben; schon damals wurde
deutlich ein Maßstab für das Handeln in Fürsorgeerziehung formuliert, den wir auch heute
noch akzeptieren würden. Prügel, Schläge und jede Art von Erniedrigung und
Beschämung wurden deutlich kritisiert, abgelehnt und in keiner Weise gerechtfertigt. Also,

[ 53 ]

jedem der zwischen 1950 und 1970 Erzieher und Verantwortlicher im Kalmenhof war,
musste bekannt sein, dass das, was er tut, falsch ist.

Von Entschuldigung und Entschädigung
Was kann denn heute noch getan werden? Ich will mich in die Debatte um materielle
Entschädigung an der Stelle nicht einmischen. Das ist ein ausgesprochen kompliziertes
Thema. Wir haben ein so genanntes "Opferentschädigungsgesetz" und wir haben aber
auch – das will ich deutlich sagen – eine sehr unrühmliche Geschichte in der jungen
Bundesrepublik mit der Entschudigung von Menschen, die in der NS-Zeit großen Schaden
erlitten haben. Und es hat auch hier nahezu 40 Jahre gebraucht, bis wir in einer anderen
Kultur auch über Entschädigung nachdenken konnten, uns dazu haben drängen lassen
müssen von einer Weltöffentlichkeit, die das engstirnige administrativ bürokratische
Denken zum Thema Entschädigung, wie es hier in den 1950er und 60er Jahren für die
Opfer von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft üblich war, nicht mehr akzeptiert hat.
Und diese andere Kultur in der Anerkennung von Schäden und in dem Umgang mit
Entschädigung, die wünsche ich mir auch dringlich für die neue Entschädigungsdebatte
der Opfer von Heimerziehung aus den 1950er und 60er Jahren.

Auf der anderen Seite ist es notwendig, dass diese Entschädigung immer im Einzelfall
geprüft werden muss. Es kann keine pauschalen Schuldzugeständnisse aber auch keine
pauschalen Entschädigungen geben. Aber die Prüfung im Einzelfall muss in einem Klima
und in einer Kultur grundsätzlicher Anerkennung und nicht prinzipiellen Misstrauens
gesehen werden, hier wolle „sich nur wieder jemand aus öffentlichen Mitteln bereichern“.

Etwas anders sehe ich das Thema "Entschuldigung“. Der Landesdirektor hat es richtig
eingeleitet, es ist ein erster Schritt, dass die Landesversammlung diesen Beschluss gefasst
hat. Aber es kann auch nur ein erster Schritt sein, denn – auch das will ich an dieser Stelle
sagen – sonst sind solche Entschuldigungen billig, denn sie kosten erst mal nichts.

Damit rückt der Blick auf diejenigen, die heute z. B. hier im Kalmenhof arbeiten. Das
ist mein letzter Punkt dazu. Die deutliche Erwartung ist, dass auch Sie in dieses Erbes Ihres
Arbeitsplatzes, Ihrer Einrichtung und Ihres Trägers eintreten. Sie können auf der einen Seite
stolz sein, in einer Einrichtung zu arbeiten, die in den ersten 45 Jahren ihres Bestehens
sicherlich zu einer der modernsten in Deutschland gehört hat, der Kalmenhof bis 1933. Sie
müssen sich aber ebenso damit auseinandersetzen und sich auch beschämen lassen
davon, dass in Ihrer Einrichtung zwischen 1933 und 1945 in großer Zahl Menschen gequält
und umgebracht worden sind und dass sie Teil eines Unrechtssystems waren, was mit
einzigartiger und heute – auch wenn wir die Schilderungen hören – kaum vorstellbarer
Brutalität, Menschen selektiert und getötet hat.

Zum Erbe Ihrer Einrichtung gehören aber auch diese 1950er und 60er Jahre. Und so, wie
jeder, der in einer Familie groß wird und das Erbe seiner Eltern antritt und auch nicht sagen
kann, „ich war damals nicht dabei“, es gibt keine "Gnade der späten Geburt". Von Ihnen
verlange ich und das können auch die "Ehemaligen" von Ihnen verlangen, dass Sie sich
dieser Erbschaft Ihrer Einrichtung stellen. Sie tragen für das, was damals passiert ist, nicht
nachträglich Verantwortung. Aber Sie tragen Verantwortung dafür, dass dieser Teil von
Verletzung nicht neuerlich weggdrückt wird mit einigen großen Entschuldigungsgesten
und einer Fachtagung, so schön sie ist, hier in der Stadthalle. Geschichte kann nicht
„bewältigt“ werden – auch dieses ist ein böses Wort unserer deutschen Sprache -
Geschichte kann man nicht „bewältigen“ und Vergangenheit schon gar nicht. Der
Geschichte kann man sich nur stellen, sich mit ihr auseinandersetzen, versuchen zu
verstehen, in diesem Sinne „aus Geschichte ‚lernen’“. Sonst kommt die Geschichte

[ 54 ]

immer wieder „hoch“, das Verdrängte meldet sich, so wie jetzt wieder, nach ebenfalls fast
40 Jahren.

Von Erinnerung und Gedenken – wem nützt das?
Mein letzter Punkt. Wem nutzt die aktuelle Gedenkwelle ausgehend von einem Film über
irische Heimerziehung? Interessanterweise hat sich niemand an dieser Stelle an den
französischen Film erinnert, der fast zur gleichen Zeit gelaufen ist. "Die Kinder des
Messieurs Mathieu" schildert Zustände in einer französoschen Erziehungsanstalt, die sich in
nichts unterscheiden von dem, was hier geschildert wurde. Der Film geht anders aus, der
Film hat eine andere Melodie, er ist eben ein französischer Film. Aber offensichtlich ist
dieser Teil Erinnerung nicht nur bei uns, sondern auch in anderen demokratischen
Gesellschaften immer wieder mit Mühe einzufordern. Wem die aktuelle Gedenkwelle also
nutzt und wem sie zu nützen vermag, das ist für mich im Moment nicht abzusehen. Ich
wünsche mir sehr, dass sie vor allem den Menschen nützt, die diese Geschichten in ihrem
Leben gemacht haben, zu deren Biografie diese Erfahrungen mit Erwachsenen gehört, die
es eben nicht gut mit ihnen meinten, dass sie dieses in ihr Leben integrieren können. Dass
es ihnen dafür nützlich ist, dass sie Aufmerksamkeit finden, dass sie sich [damit]
auseinandersetzen können.

Ich wünsche mir, dass diese Auseinandersetzungen um die Heimerziehung der
1950er und 60er Jahre

  • die Professoren und das Arbeitsfeld Heimerziehung selbstbewusster macht in den aktuellen Debatten, um die Gestaltung von Heimerziehung als öffentlicher Aufgabe und Ausgabe,

  • selbstbewusster macht in den aktuellen Auseinandersetzungen um Wirkung und Effektivität und

  • selbstbewusster macht auch in dem gewagten Blick zurück auf das, was Pädagoginnen und Pädagogen über die Jahre in bestem Wissen und Gewissen getan haben und was daraus im Leben der Menschen geworden ist.

Die Konzentration darauf, was im Namen von Pädagogik Menschen angetan wurde, was
es ihnen genützt und was geschadet hat, dieser Blick zurück, auch der lange Blick zurück
und nicht nur der kurzfristig verwertbare, das ist etwas, was wir aus dieser Debatte
mitnehmen und zu dem wir uns aufgefordert sehen müssen – in der Hoffnung, dass sich
Geschichte nicht einfach wiederholt.

Vielen Dank

[ Seite 64-65 ]

Wolfram Schäfer:
Herr Schrapper, Sie haben in Ihrem Beitrag ganz zum Schluss auch die Rolle der Wis-
senschaft angesprochen. Ich bin Wolfram Schäfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Institut für Erziehungswissenschaft der Philipps-Universität Marburg.

Welche Rolle hatten denn Wissenschaftler nach 1945 im Bereich der Jugendhilfe?

Welche Paradigmen, welche Theorien haben sie denn wieder vertreten?

Wenn Professor Blandow aus Bremen Recht hat, dann war der meist zitierte Beitrag bis Anfang
der 1960er Jahre der Aufsatz von Werner Villinger und Herrmann Stutte aus dem Jahr 1948
"Zeitgemäße Aufgaben und Probleme der Jugendfürsorge". Dieser Aufsatz beruhte auf den
erbbiologischen Forschungen der beiden Kinder- und Jugendpsychiater in der Ns-Zeit.
Hermann Stutte hatte sich 1944 habilitiert mit „Erbiologischen Forschungen“ an Gießener
Fürsorgezöglingen; Werner Villinger war sogar „Erbgesundheitsoberrichter und Euthanasie-
gutachter“ gewesen. 1961 wurde er „Gutachter im Wiedergutmachungsausschuss des
Deutschen Bundestages“ und durfte erneut über seine früheren Opfer ‚gutachten’. Dort
hat er „Entschädigungsneurose“ erfunden, was zur Folge hatte, dass die Zwangs-
sterilisierten aus dem Bundesentschädigungsgesetz herausfielen.
[.
٪.]
Was das Schlimme nun ist, ist die Tatsache, dass diese beiden einflussreichen Marburger
Wissenschaftler ja ganze Generationen auch von Erziehern, von Psychologen, von Pädagogen
und jungen Psychiatern ausgebildet haben. Wenn man sich ihren Text anschaut, nur ein Zitat
daraus: „Fürsorgezöglinge sind sozialbiologisch unterwertiges Menschenmaterial“ und
das in 1948. Gleichermaßen wurden die alten Forschungen des „Zigeunerforscher“ Robert
Ritter wiederbelebt. Der Stutte wagte es, auch wieder 1948, mit Blick auf Fürsorgezöglinge,

[ 65 ]

die Diagnose des „getarnten Schwachsinns in der Maske der Schlauheit“
wieder aufleben zu lassen. Eine Diagnose, die 1936 im Rahmen der Forschungen über
Sinti und Roma entwickelt worden war.

Das kam mir heute Morgen ein bisschen zu kurz, die Rolle der Wissenschaftler,
unserer Vorgänger und unserer Lehrer zum Teil; ich habe bei Stutte selbst noch studiert.
Die haben sozusagen ihre erbbiologischen Paradigmen nahtlos aus der NS-Zeit übertragen,
und ich meine, sie trugen genauso wie die Erzieher vor Ort, meiner Ansicht nach sogar noch
mehr, ganz erheblich dazu bei, dass wir diese menschenverachtende Situation hier in der
Fürsorgeerziehung vorgefunden haben.

[ 65 ]

Redner:
Ich möchte mich gleich meinem Vorgänger anschließen. Es sind ja schon Namen
gefallen. Villinger usw. In einer ganz üblen Tradition ging es 45 bruchlos weiter. Da
möchte ich Prof. Schrapper wie auch Peter Wensierski fragen: Wie war das mit den
Seilschaften nicht nur in der Pädagogik der Sonderpädagogik, sondern in der Politik, in
der Wirtschaft, ja in der Gesellschaft generell? Wie war es mit den NS-Gesellschaften?
Sonst ist es doch einfach gar nicht verständlich, was wir hier heute an Ungeheuerlichem
von Prof. Schrapper wie auch von Peter Wensierski gehört haben. Wie konnte so etwas
geschehen? Und ich glaube, diese Frage müssen Sie nun beantworten. Sie ist noch in
Idstein sehr, sehr schmerzhaft. Ich glaube auch heute noch.

[ 65 ]

Tissy Bruns [Moderatorin, DER TAGESSPIEGEL, Parlamentsredaktion]:
Die Wissenschaft in den 50igern und die nachwirkenden Seilschaften aus der Nazizeit in
den 1950er und 60ger Jahren. Herr Wensierski und Herr Schrapper, wer beginnt?

[ 66 ]

Prof. Dr. Christian Schrapper:
Es tut mir leid, wenn ich vergessen habe, auf die Rolle und den beitrag der pädagogi-
schen Wissenschaft, der Sonder- und Sozialpädagogik, an den Zuständen in den Of-
fentlichen Erziehungsheimen der 1950er und 60er Jahre einzugehen. Ich dachte nur,
das ist heute nicht im Schwerpunkt mein Thema. Aber es ist ebenso an die Bedeutung
der damaligen Leitfiguren für dieses Arbeitsfeld, wie z. B. Herrmann Nohl, aber auch an
Herrmann Stutte oder Werner Villinger zu erinnern und viele andere, die nach 1945 ge-
tan haben, als wäre nichts passiert. Ohne ihre Bereitschaft, sowohl den fundamentalen
Einfluss des Nationalsozialismus auf die deutsche Gesellschaft und auf ihre Wissen-
schaften als auch ihre eigene Beteiligung und Verantwortung einfach zu negieren, wären
auch dieses besinnungslose „Augen zu und weiter so“, dass in vielen anderen Le-
bensbereichen auch in der Heimerziehung den Ton angab, nicht denkbar gewesen.

Nur auf der anderen Seite – auch das finde ich wichtig zu sehen – die deutsche Wissen-
schaft, auch die pädagogische Wissenschaft nach dem Krieg war Teil dieser Gesell-
schaft und sie war nicht besser, aber auch nicht schlechter als der mainstream in Ge-
sellschaft und Politik dieser Jahre. Es hat lange gedauert, bis auch in der pädagogi-
schen Wissenschaft wieder an die Personen und Traditionen von vor 1933 positiv
angeknüpft werden konnte – genau genommen bis zu den Studentenunruhen gegen
Ende der 1960er Jahre. Auch hier eine Parallele zum Kalmenhof, in dem in den
1920er Jahren auch eine andere Sicht auf Kinder und Jugendliche prägend war, als in
den 1950er und 60er Jahren. Auch das passte ja zusammen, dass der Kalmenhof lan-
ge vor 1933 in einer Weise menschenwürdig und respektvoll mit, „idiotischen Kindern“
umgehen konnte, war eben auch getragen und gestützt von wissenschaftlichen Sicht-
weisen, die sich in heftiger Auseinandersetzung und Konflikt mit den von Frau Dr.
Vanja gezeigten eher biologischen und medizinischen Sichtweisen befanden. Aber
genau diese Sichtweisen hatten nach 1945 bis weit in die 70er Jahre Konjunktur in der
Fürsorgeerziehung. So veröffentlichte Herrmann Stutte noch 1959 ein Buch mit dem
Titel "Die Grenzen der Sozialpädagogik", in dem er wesentlich seine jugendpsychiatri-
schen Untersuchungen an sog. „Unerziehbaren Fürsorgezöglingen“ bis zurück aus den
1930er und 40er Jahren referierte und viel Beifall dafür auch unter den Verantwortlichen
der Fürsorgeheime fand. Schließlich konnte er das Buch in der Schriftenreihe des „All-
gemeinen Fürsorgeerziehungstages“ herausgeben, in deren Vorstand er in den ersten
drei Jahrzehnten nach dem Krieg eine einflussreiche Figur war.

Die angedeuteten Traditionen waren Teil des wissenschaftlichen Klimas in den 1950iger
und 60iger Jahren, das die Fürsorgeerziehung jener Jahre getragen hat, so wie sie in
ihrer auch – sicherlich nicht nur – menschenverachtenden Praxis hier und heute vorge-
führt wurde. Zu diesem Klima haben auch Wissenschaftler in großer Zahl beigetragen,
nicht nur Herrmann Stutte, viele haben sich einbinden lassen, die diese Sichtweisen
junger Menschen, auch diese Abwertung, mit gestützt haben. Es ist ja kein Zufall, dass
das Buch "Zuchthäuser der Fürsorge" nur in einer Koalition zwischen den aufmüpfigen
Fachkräften, die, wie Frau Zovic, dann auch noch persönlich einen großen Preis dafür
gezahlt haben und dem AstA der Universität Marburg erschienen ist, und nicht als ein
offizieller Forschungsbericht des Sonderpädagogischen Lehrstuhls. Auch kam es zu
einer Koalition der jungen Leute an der Uni und in der Praxis, die sich mit den traditio-
nellen Sichtweisen ihrer Altvorderen nicht mehr abfinden wollten. Heute wird manchmal
abwertend über die sogenannten „68iger“ geredet, aber es war auch für die Heimerzie-
hung ein notwendiger, wenn auch in den Protestformen manchmal verstörender, aber
eben ein unbedingt notwendiger Gegenpol und Gegenwind, der von dieser 68iger Bewe-

[ 67 ]

gung ausging. Dies gilt für die Heimerziehung und den Landeswohlfahrtsverband aber
genauso auch für die pädagogischen Wissenschaften, da stimme ich Ihnen völlig zu.
Die Wissenschaften gehören mit in das Kartell der Verdränger und Restaurierer, die das
Leben im Nachkriegsdeutschland so lange geprägt haben, da bin ich Ihnen dankbar,
dass Sie darauf hingewiesen haben.

[ 67 ]

Peter Wensierski:
Also ich glaub man braucht da gar nicht so schrecklich viel und lange drum herum zu
reden. Der Staat hat seine Fürsorgepflicht vernachlässigt gegenüber den Heimkindern
und den Heimen und trägt eine erhebliche Mitschuld an dem, was da in den 50iger und
60iger Jahren geschehen ist. Der Staat, die öffentlichen Träger, die Jugenämter, die
Vormundschaftsgerichte haben diese Form der 'Jugendhilfe' ja bewusst gewollt.

Dieser ganze Bereich ist dann – als einer der letzten gesellschaftlichen Bereiche nach
dem Krieg – überhaupt erst sehr spät reformiert worden.

Ich möchte mich aber auch mal dagegen wenden, dass die Zeit von 1933 bis 1945 als
eine ganz besondere Zeit der Erziehung angesehen wird. Ich glaube, wir müssen be-
greifen die gehört einfach in einer bestimmten Kontinuität auch mit dazu. Die Erziehung
zu Zucht und Ordnung, die Erziehung zur Arbeit hat in Deutschland eine sehr lange
und alte Tradition. Das, was hier im Kalmenhof und anderswo passiert ist mit der Eu-
thanasie, ist auch eine Konsequenz bestimmter Vorstellungen gewesen. Und was war
nach dem Krieg?

Viele Erzieher, die im Kalmenhof oder anderswo waren, haben ihre Ausbildung in der
Nazizeit gemacht. Etwa eine Frau Jungermann, die wurde sogar Direktorin im Heim des
Landeswohlfahrtsverbandes in Cuxhagen bei Kassel, im Kloster Breitenau. Frau Junger-
mann hat ja schon in der Nazizeit in Kassel die „verwahrlosten“ Mädchen eingefangen,
und in die Fürsorge gebracht, genau das hat sie nach dem Krieg zunächst fortgesetzt,
dann wurde sie sogar Direktorin. Diese Kontinuitäten gibt es ganz oft, d. h.
in vielen, vielen Heimen waren Erzieher, Heimleiter wirklich direkt aus der Nazizeit naht-
los auch mit Vorstellungen von Erziehung zu Zucht und Ordnung lange Zeit bis in
die 60iger Jahre in den Heimen tätig.

Erst Mitte der 60iger Jahre kam neuer Schwung aus den Universitäten und Ende der
60iger Jahre dann mit der Studentenbewegung gab es dann den entscheidenden Per-
sonalaustausch. Ich habe bei der Recherche für das Buch mit ganz vielen Erziehern
gesprochen, die Mitte bis Ende der 60iger Jahre Praktikanten waren. Die trauen sich er-
staunlicherweise bis heute nicht so recht, öffentlich darüber zu sprechen, wenn sie
noch selber so ein bisschen schlechtes Gewissen haben. Was ich damit meine? Sie
haben damals am Anfang noch selber den üblen Erzieherstil mitgemacht, „mitmachen
müssen“, wie sie mir sagten. Die wurden da ins kalte Wasser hineingestoßen, bekamen
30 Kinder in der Gruppe und es wurde ihnen gesagt, also hier könnt ihr euch nur mit
Schlägen durchsetzen.

Und weil sie teilweise also dabei mitgemacht haben, reden sie noch heute nicht gern
darüber.

Große Teile des Personals in den Heimen waren eben von Zucht- und Ordnungsvorstel-
lungen geprägt in dieser Zeit und haben den Erziehungstil verlängert. Dazu gehörten ja
noch viele andere Menschen, denen die Heimkinder ausgesetzt waren: im Jugendamt
etwa, dazu gehörte die 'Fürsorgerin', die immer in die Wohnung kam, nach Hause zu
den Eltern, mit dem haarknoten im Haar; also was glauben Sie, was ich für Berichte ü-
ber diese 'Fürsorgerinnen' gehört und gelesen habe, was für faschistisches Men-
schenbild die noch hatten. Das Jugendamt selbst, der Jugendamtleiter, konnte so sein.
Ich habe vorhin hier Monika Rohde gesehen, die das in Kassel persönlich erlebt hat. Sie

[ 68 ]

hat später den Leiter des Gerichtes, des Vormundschaftsgerichtes, kennen gelernt. Ein
alter Nazi, wie sie dann herausgefunden hat. Der hatte jahrelang, jahrzehntelang in Kas-
sel noch nach dem Krieg Kinder in die Fürsorgeerziehung gebracht und war voller
Naziideologie. Er war lange Zeit Vorsitzender des Vormundschaftsgerichtes und so et-
was findet man in ganz vielen Orten in Deutschland, wenn man da genauer hinguckt.
Die Amerikaner, die Engländer, die Franzosen haben nach dem Krieg nur flüchtig das
Personal entnazifiziert. Es gibt Berichte der Allierten über die Situation der deutschen
Erziehungsheime. Sie fanden die Zustände in vielen Heimen schrecklich. Es ist aber
nicht viel geschehen. Das Personal ist nicht wirklich ausgetauscht worden. Es sind auch
später die Leute, die nicht ausgebildet waren, dann für immer anerkannt worden.

Es gibt Kontinutäten „an allen Fronten“ sozusagen, den die betroffenen Kinder aus-
gesetzt waren: im Jugendamt, beim Vormundschaftsrichter.

Ich habe viele Fürsorge-Akten gelesen, das empfehle ich insbesondere den hier an-
wesenden Studenten der Sozialpädagogik, weil die Sprache in diesen Akten so viel ver-
rät, so vieles deutlich macht. Ich war vor drei Wochen in der Diakonie Freistatt, wenn
man dort die verächtliche, demütigende und herabsetzende Sprache über die Kinder
sieht, etwa in den amtlichen Briefen, wird vieles deutlich. Es ist unglaublich wie da über
angeblich „asoziale“ Familien gesprochen wird. Da läuft es einem wirklich kalt den Rücken
runter. Dieser Geist ist noch heute drin in den Akten.

[ Für die vollständige – 102 Seiten umfassende – Tagungsdokumentation wird ein Unkostenbeitrag von 8.00 Euro erhoben. Bestelladresse: Landeswohlfahrtsverband Hessen, Pressestelle, Ständeplatz 6-10, 34117 Kassel, Bunderepublik Deutschland ∙ Germany

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Telefon: (05 61) 10 04 - 22 13

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Die Nutzung eckiger Klammern für spezifische Zwecke ist international: eckige Klammern werden benutzt um zu kennzeichnen, dass ein Wort oder ein Text so eingeklammert, nicht im zitierten oder reproduzierten Original vorhanden ist, aber zur besseren Erklärung hinzugefügt worden ist.

[ Erstveröffentlichung auf dieser Webseite: 4. Oktober 2006 ]


Subindex Nr. 11

SPIEGEL-Buch: "Schläge im Namen des Herrn –
Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"
|
Buchauthor, Dokumentarfilmer und Fernsehjournalist: Peter Wensierski |
ISBN: 342105892X | Ab 07.02.2006 auch in Buchläden erhältlich.


Zum ersten Jahrestag der Veröffentlichung des SPIEGEL-Buches
"Schläge im Namen des Herrn - Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"
11. Februar 2007 - „Herzlichen Dank“ sagt Peter Wensierski „an“ „alle“, „die“ zuvor
und seither „mitgewirkt" und „mitgeholfen“ „haben" „das jahrzehntelange Schweigen
über eines der dunkelsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte zu brechen“.


HEIMKINDER-SCHICKSALE: "Wie geprügelte Hunde" - Von Peter Wensierski
Sie wurden geschlagen, erniedrigt und eingesperrt. Unter oft unvorstellbaren
Bedingungen wuchsen in den fünfziger und sechziger Jahren Hunderttausende Kinder und Jugendliche
in kirchlichen Heimen auf.
"Wir waren Zwangsarbeiter", sagen sie heute. Ein dunkles Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte


Jürgen Schubert – Fünfzehn Jahre Leid im Heim under der Macht des ORDEN
DER RECHTHABENDEN, der Barmherzigen Schwestern in Marsberg.
SPIEGEL-online-Panorama 19.05.2006 – “20 Euro für 15 Jahre Leid.”
Kirchen und Politik in Deutschland nehmen sich jetzt erstmalig des Schicksals
der Ehemaligen Heimkinder der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit an.


Heimkinder weinen noch immer – auch noch 30, 40, 50, 60, 70 Jahre später,
nach den Qualen und Misshandlungen, denen sie als “Schutzbefohlene”
von ihren damaligen ‘Erziehern’ in christlichen sowie auch in staatlichen Heimen ausgesetzt wurden.
Ihre Traumata und ihr Leiden begleitet sie ihr ganzes restliches Leben !!!

( Aktuelle Ausgabe, Hessische Zeitung, Guxhagen, Mittwoch, 8. März 2006 )

Die Neue Westfälische, Paderborner Kreiszeitung,
Ostwestfalen-Lippe, No. 273 , am Montag, 24 November 2003, berichtet auf Seite 4 –
Heimkinder wollen nicht vergessen werden
Landschaftsverband sagt Betroffenen Hilfe zu.


Offizieller Bericht und Beschlüsse – LWL - Landschaftsverband Westfalen-Lippe
– Landesjugendamt – in Münster – Vorlage 11/1891 vom 16.12.2003
betreffend "Aufarbeitung der Fürsogeerziehung in den 60er- und 70er-Jahren",
und der Anfang, diesbetreffend, gemacht von Gisela Nurthen und Marion Zagermann.


BUCHVORSTELLUNG – SPIEGEL-Buch – "Schläge im Namen des Herrn –
Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"
– WENSIERSKI, Peter –
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006 – ISBN 342105892X – Gebunden, 249 Seiten, 19,90 EUR
– Buchvorstellung verfasst von Marion Zagermann am 1. Februar 2006 –


Deutschlandfunk - dradio.de : 27.03.2006 - Vorstellung und Rezension drei verschiedener Bücher:
Politische Literatur -
eins davon: damalige Heimerziehung "Schläge im Namen des Herrn -
Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"
von Peter Wensierski.
Redakteur am Mikrofon:
Hermann Theißen;
Rezensenten:
[ 1.) ] Volker Ullrich, [ 2.) ] Otto Langels, [ 3.) ] Marcus Heumann.


Kurzvorstellung des neusten SPIEGEL-Buches von Peter Wensierski: "Schläge im Namen des Herrn -
Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"
von lär/bor
vom 22.05.2006 in "Die Berliner Literaturkritik", unter der Überschrift
"Knute und Halleluja" - "Die Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik".


"IN DEN-KLAUEN DER KIRCHE" - Mai 2006 Buchrezension : TIP Berlinonline
von
Margit Miosga zum SPIEGEL Buch
»SCHLÄGE IM NAMEN DES HERRN -
Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik
«, Peter Wensierski,
ISBN 342105892X, erschienen im SPIEGEL-Verlag, 11.02.2006.


Buch-Rezension des neusten SPIEGEL-Buches von Peter Wensierski: "Schläge im Namen des Herrn -
Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"
von Victoria Gross
vom 04.09.2006 in "Die Berliner Literaturkritik", unter der Überschrift
"Kirchlicher Fürsorgeknast - Rohrstockrepublik Deutschland".
"Ein Buch über Menschenrechtsverletzungen in westdeutschen Heimen".


Frühere Heimkinder haben (Ende 2003) eine Interessengemeinschaft gegründet:
Sie wollen entschädigt werden für erlittenes Unrecht, Prügel und Zwangsarbeit, denen
sie in vielen staatlichen sowohl wie auch konfessionellen Heimen ausgeliefert waren.


Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren:
LWV-Verbandsversammlung entschuldigt sich
bei damaligen Heimkindern für erlittene Gewalt:
„Der Landeswohlfahrtsverband Hessen spricht sein tiefstes Bedauern
über die damaligen Verhältnisse in seinen Heimen aus
und entschuldigt sich bei den ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern,
die körperliche und psychische Demütigungen und Verletzungen erlitten haben.“


Die Verbandsversammlung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
hat in ihrer Plenarsitzung am 5. April 2006 einstimmig beschlossen
sich bei den ehemaligen Heimkindern aller ihrer damaligen Einrichtungen
zu entschuldigen.
Rede auf der Plenarsitzung der Verbandsversammlung 2006 des
Landeswohlfahrtsverbandes Hessen am 5. April 2006.


Frankfurter Rundschau 06.04.2006.
Entschuldigung bei Heimkindern.
Landeswohlfahrtsverband spricht "tiefstes Bedauern" über Gewalt
in Erziehungsanstalten der Nachkriegszeit aus
Der Landeswohlfahrtsverband LWV will ehemaligen Heimkindern bei ihrem Kampf
um Anerkennung und Unterstützung helfen. Das hat die Verbandsversammlung
am Mittwoch einstimmig beschlossen. In manchen Erziehungsanstalten
wurden bis in die 70er Jahre hinein Kinder misshandelt.


Frankfurter Rundschau 06.04.2006.
Entschuldigung aber keine Entschädigung.
Beim Formulieren der Erklärung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
am Mittwoch den 5. März 2006, wurde alles vermieden,
was Ansprüche gegen den Heimträger begründen könnte.


►Heimerziehung: Lektüre / Tagungsbeitrag von Prof. Dr. Christian Schrapper
Professor für Pädagogik und Sozialpädagogik an der Universität Koblenz –
an die Anwesenden der Veranstaltung am 9. Juni 2006 in Idstein im Taunus,
mit Kommentaren, u. a., von Wolfram Schäfer
(Philipps Universität Marburg)
und Peter Wensierski
(SPIEGEL - Berlin).


Jürgen Schubert, Vorsitzende des Verein ehemaliger Heimkinder e.V., 09.06.2006, auf der
vom Landwohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus,
klar und deutlich trägt vor die Forderungen der ehemaligen Heimkinder
an Kirche und Staat – d.h. an die beiden deutschen Amtskirchen und an die
Bundesrepublik Deutschland, sowie an alle damals beteiligten Landesregierungen.


► Damalige Heimerziehung: Dreiteilige Ansprache von Michael-Peter Schiltsky
Vereinsberater: Verein ehemaliger Heimkinder e.V.
an die Anwesenden der Veranstaltung am 9. Juni 2006 in Idstein im Taunus,
eine Tagung, die vom Landeswohlfahrtsverband Hessen angesetzt worden war.


►Heimerziehung: Tagungsbeitrag/Diskussionsbeitrag
von Prof. Dr. Mechthild WolffFachhochschule Landshut
und Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen
(IGfH), am 9. Juni 2006, auf der
vom Landeswohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus.


►Damalige Heimerziehung: Tagungsbeitrag/Diskussionsbeitrag
von Pro. Dr. Dr. hc. Reinhard Wiesner,
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend
(Deutscher Bundestag = German Federal Parliament), am 9. Juni 2006, auf der
vom Landwohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus.


►Damalige Heimerziehung: Tagungsbeiträge/Diskussionsbeiträge
(1.) von Frau Evelin Schönhut-Keil, Erste Beigeordnete des Landeswohlfahrtsverbandes
Hessen
, und
(2.) von Frau Susanne Nöcker, Hessisches Sozialministerium, 09.06.2006,
auf der vom Landeswohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus.


►Damalige Heimerziehung: Tagungsbeitrag/Diskussionsbeitrag
von Dr. Matthias Almstedt, Leiter der Abteilung Sozialpädagogik an der Käthe-Kollwitz-
Schule in Marburg
, vom 9. Juni 2006, auf der
vom Landeswohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus.


►Damalige Heimerziehung: Tagungsbeitrag/Diskussionsbeitrag
von Herrn Andreas Prinz, Leiter des Landesjugendamtes Giessen, in Hessen, 09.06.2006,
auf der vom Landeswohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus.


►Heimerziehung: Tagungsbeitrag/Diskussionsbeitrag von MdP Marlene Rupprecht
(SPD)Mitglied des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag, am 9. Juni 2006,
auf der vom Landeswohlfahrtsverband Hessen angesetzten Tagung in Idstein im Taunus.


Menschenwürde und Menschenrechte:
Die Aufgabe des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
ist es, unter anderem, "Verletzungen zu korrigieren".
Das Forum Menschenrechte ist ein Netzwerk von mehr als 40 deutschen
Nichtregierungsorganisationen
(NGOs), die sich für einen verbesserten, umfassenden
Menschenrechtschutz einsetzen.


LWV-Landes-direktor vom Landeswohlfahrtsverband Hessen, Uwe Brückmann,
über die Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den 50ern und 60ern.
"Damals fehlte die Kontrolle" – FORUM – HNA-online – Interview vom 31.03.2006.


Zwei wichtige Leserbriefe - unter anderen - @ Kobinet Nachrichten.
Leserbriefe
(1.) von Diplom Psychologin, Gertrud Zovkic, vom 04.04.2006
und
(2.) von einem damalig Betroffenen, Heinz-Peter Junge, vom 19.04.2006.


In Anerkennung und zur Erinnerung an die Initiatorin der Heimkinder-Sache,
Gisela Nurthen, und all ihre Arbeit und all ihre Bemühungen
zur Aufdeckung der Schandtaten begangen an Hunderttausenden
von Kindern und Jugendlichen in Heimen in der Bundesrepublik Deutschland
während des “Wirtschaftswunders” der Nachkriegsjahrzehnte.
Auszüge aus dem SPIEGEL-Buch von Peter Wensierski
“Schläge im Namen des Herrn – Die verdrängte Geschichte der Heimkinder
in der Bundesrepublik”


Der Spiegel, 16/2006 – Späte Reue – Kirchen unter Erklärungsdruck
zur Geschichte der Heimerziehung und schwarzen Pädagogik
in der Bundesrepublik Deutschland.


Fotogalerie zwangarbeitender Jungens.
Zwangsverpflichtet im Vaterland!

"ZWANGSARBEIT" – "ARBEITSDIENST" – "ARBEITSTHERAPIE" – "KEIN PFENNIG JOBS"
– Fürsorgeerziehung, Jugendwohlfahrt und Arbeiterwohlfahrt und ihre Abarten
in der Geschichte Deutschlands


Siehe auch Heimkinderopfer-Fotogalerie @ http://www.flickr.com/photos/heimkinderopfer/

Fotogalerie zwangarbeitender Mädchen.
Zwangsverpflichtet im Vaterland!

"ZWANGSARBEIT" – "ARBEITSDIENST" – "ARBEITSTHERAPIE" – "KEIN PFENNIG JOBS"
– Fürsorgeerziehung, Jugendwohlfahrt und Arbeiterwohlfahrt und ihre Abarten
in der Geschichte Deutschlands


Braunschweiger Hauszeitschrift des Marienstiftes "Doppelpunkt" - Heft Nr. 3/2000
Aus der Geschichte des Marienstiftes
[und anderen solcher Einrichtungen]:
So, ungefähr, sah es aus – über einen Zeitraum von zwischen 50 bis 70 Jahren –
für ‘verwahrloste’ Mädchen unter dem "Jugendwohlfahrtsgesetz"
in allen deutschen (Mädchen)Erziehungsanstalten / Mädchenheimen
( ob evangelisch-lutherisch oder katholisch ! ),
also auch in der Nachkriegszeit, im "Wirtschaftswunder Westdeutschland".


Ehemalige Insassin des "Haus Weiher"(1964-1968), Sieglinde Alexander, möchte
wissen: Wer kennt Waltraud Jung aus dem
"Mädchenheim Weiher"? - "Haus Weiher" -
eine evangelisch-lutherische Erziehungsanstalt für 'schwererziehbare' Mädchen,
damalig, bis 1972, ein Teil der Rummelsberger Anstalten, in Hersbruck,
nord-nord-westlich von Nürnberg.


Siehe auch Heimkinderopfer-Fotogalerie @ http://www.flickr.com/photos/heimkinderopfer/

Bisher unbeantwortete Korrespondenz an Renate Schmidt MdB (SPD)
Heimkinder-Überlebene bemühen sich um Gehör bei der Bundesregierung
Zuständige Bundesministerien aber schweigen




Siehe auch "Ehemalige Heimkinder" @ heimkinderopfer.blogspot.com und heimkinderopfer2.blogspot.com


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