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Resort Hof-Stadt
Erschienen am 26.10.2007 00:00
Schläge und Schikane im Heim
Erinnerungen | Wolfgang Rosenkötter berichtet in einer Lesung von seiner schlimmen Kindheit
Wolfgang Rosenkötter
Hof - Es ist ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte, und es geschah nicht während der Nazi-Diktatur, sondern später; in den fünfziger, sechziger und den siebziger Jahren. Kinder, die unliebsam waren, deren Mütter und Väter mit der Erziehung in der Nachkriegszeit überlastet waren, kamen ins Heim. Probleme dieser Art passten nicht in den beginnenden Wohlstand der Nachkriegszeit, so heißt es in einer Mitteilung der Fachakademie für Sozialpädagogik.
For zwei Jahren griff Spiegel-Reporter Peter Wensierski das Thema auf. Er recherchierte, unterhielt sich mit betroffenen Menschen. „Schläge im Namen des Herrn“, das Buch, das aus den Recherchen entstand, hat viele Betroffene veranlasst, ihr Schweigen zu brechen. Ein Verein wurde gegründet, die Politik befasst sich mit den Aussagen und den Forderungen der Menschen, die Schlimmes erlebt haben in ihrer Kindheit und Jugend. Einen, der dies genau weiß und der sich artikuliert, ist Wolfgang Rosenkötter aus Hamburg. Auf Einladung der Hofer Fachakademie für Sozialpädagogik las und berichtete er in der vergangenen Woche in der Stadtbücherei in Hof.
Erfahrungen verdrängt
Schläge habe es im Heim gegeben, perfide Schikane und Drohungen, den Kindern sei Angst eingejagt worden durch drakonische Strafen, es gab wenig zu essen und viel Arbeit. Er habe immer wieder versucht, heimlich nach Hause zu kommen. So wurde er „durchgereicht“, und ein Heim war schlimmer als das andere. Zwangsmedikation, Kollektivstrafen und Unterdrückung seien an der Tagesordnung gewesen.
Jahrelang habe Rosenkötter seine Erfahrungen verdrängt, gesteht er bei seinem Vortrag. Aber jetzt drängten die traumatischen Erlebnisse an die Oberfläche. Er engagiert sich im „Verein ehemaliger Heimkinder“. Und er unterstützt tatkräftig dessen eigentlich so lapidare Forderungen nach einer Entschuldigung und nach Anrechnung der Jahre unbezahlter Zwangsarbeit. Die Öffentlichkeitsarbeit zeigt langsam Früchte: Auf vielen TV-Kanälen wird das Thema aufgegriffen. Der Bundestag befasst sich im November in einer ersten Anhörung mit den Anliegen der Betroffenen.
Die Heime waren damals überwiegend in kirchlicher Hand, berichtete Rosenkötter. Pädagogisch ausgebildetes Personal war rar. Die Erziehungsmethoden waren grausam, die Unterbringung menschenunwürdig. Die Jungen und Mädchen bekamen in vielen Heimen keine Schulbildung. Stattdessen mussten sie in der Wäscherei, der Näherei, der Küche, der Metzgerei, im Garten oder auf dem Feld arbeiten. Und das sechs Tage die Woche, zehn, zwölf Stunden am Tag.
Auch heute hätten die Kirchen kein Interesse an einer Aufarbeitung der Geschehnisse, monierte der Referent in der Stadtbücherei. All dies seien Gründe, um die Erziehung junger Menschen heute genauer anzusehen. „Man muss mit Kindern so umgehen, wie man möchte, dass mit einem selbst umgegangen wird“, hieß es in einer sehr lebhaften Diskussion nach dem Vortrag.
Nur mit guter Ausbildung der Erzieher, mit guten Heilpädagogen und Psychologen sei es möglich, das umzusetzen. Wolfgang Rosenkötter arbeitete am nächsten Tag mit einer Gruppe der Hofer Berufspraktikanten in der Fachakademie für Sozialpädagogik im Rahmen eines Seminartages am gleichen Thema, so die Mitteilung abschließend.
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